80 Jahre später: Entdeckung der bewegenden Geschichte des 'gestrandeten Zuges'
80 Jahre später: Entdeckung der bewegenden Geschichte des 'gestrandeten Zuges'
Einblicke in die vergessene Geschichte: Die Wiederentdeckung des „gestrandeten Zuges“ bei Farsleben
02.05.2025 – 11:21
MDR Mitteldeutscher Rundfunk
Leipzig (ots)
Im Kontext der Aufarbeitung der Geschichte des Zweiten Weltkriegs beleuchtet die neue MDR-Dokumentation „Zug ins Leben – Die Befreiung der SS-Geiseln“ ein oft vergessenes Kapitel: Die dramatischen Ereignisse rund um den „gestrandeten Zug“ nahe Farsleben, der am 12. April 1945 zum Stehen kam. Mit mehr als 2500 jüdischen Häftlingen, darunter viele Frauen und Kinder, repräsentiert dieser Zug nicht nur ein individuelles Schicksal, sondern auch das kollektive Leiden und die schwierige Erinnerung der jüdischen Gemeinschaft.
Die Geschichte beginnt, als britische und amerikanische Truppen sich dem Konzentrationslager Bergen-Belsen nähern. Um Beweise ihrer Verbrechen zu vernichten, befiehlt die SS die Evakuierung der Häftlinge in einem Todeszug, der ursprünglich zum Ziel Theresienstadt unterwegs war. Dieser Zug, jedoch nicht der einzige in der Evakuierung, wurde als „gestrandeter Zug“ berühmt, weil er von den alliierten Truppen gestoppt wurde. Die emotionalen Eindrücke der Befreiung werden eindrucksvoll durch die Aufnahmen eines amerikanischen Offiziers dokumentiert, die die Erleichterung und das Entsetzen der Überlebenden festhalten.
Ein bedeutender Fund im amerikanischen Nationalarchiv hebt die Wichtigkeit dieser Geschichte hervor. Zwei Jahre zuvor stieß Susanne Oehme, eine Historikerin aus Wolmirstedt, auf einen vierminütigen Film, der die bedrückenden Momente der Befreiung zeigt. Die Bilder vermitteln den Schrecken und die Verzweiflung der Überlebenden, die in jenem Augenblick dem Tod entkamen, aber dennoch sofort mit den Nachwirkungen von Hunger und Krankheit konfrontiert wurden.
Nach der Befreiung wurden die Überlebenden in nahegelegene Einrichtungen gebracht, wo viele von ihnen an den Folgen der Strapazen und Krankheiten, wie Typhus, starben. Diese menschlichen Tragödien wurden anfänglich in einer allgemeinen Geschichte des Krieges oft übersehen. Eine weitere Facette dieser Geschichte ist die nachfolgende Verschweigung und Verdrängung der Ereignisse: Die ehemaligen Kasernen wurden nach dem Abzug der Amerikaner von sowjetischen Soldaten besetzt, und der jüdische Friedhof, auf dem viele der gestorbenen Häftlinge beigesetzt wurden, wurde umfunktioniert. Diese Umstände verdeutlichen das Bedürfnis nach einer wahrhaftigen Erinnerungskultur und Aufarbeitung.
Mit dem Aufkommen des Historikers Klaus-Peter Keweloh und seines Sohnes Daniel in den späten 1990er Jahren begann die Wiederentdeckung dieser vergessenen Geschichte. Sie haben Kontakte zu Überlebenden wie Peter Lantos hergestellt und gesetzt sich dafür ein, dass die Stimmen der Vergangenheit nicht verstummen. Die MDR-Dokumentation stellt diese Bemühungen dar und fragt, wie Erinnerungen an solche Ereignisse auch heute noch in der Gesellschaft präsent gehalten werden können.
Die Präsentation dieser Dokumentation ist ein Teil des MDR-Themenschwerpunkts „Die Welt zwischen Krieg und Frieden“, der die drängenden Fragen der Gegenwart in den Kontext der historischen Geschehnisse setzt. Im Jahr 2025, dem 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges, wird die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und ihren Lehren umso wichtiger. Die Geschichte des gestrandeten Zuges dient dabei als mahnendes Beispiel, wie blind wir für Unrecht werden können.
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