Die geheimen Mächte: Wie Verschwörungstheorien unsere Gesellschaft spalten
Bochum, Deutschland - Verschwörungstheorien haben in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, insbesondere im Zuge der Covid-Pandemie. Florian Hessel, ein Sozialwissenschaftler von der Ruhr-Universität Bochum, analysiert, wie sich diese Ideen seit dem 19. Jahrhundert entwickelt haben. Er stellt fest, dass es während Krisenzeiten wie der Pandemie eine verstärkte Mobilisierung um Themen wie Impfkritik und alternative Medizin gab. Infolge eines Rückgangs des Krisenempfindens kam es allerdings auch zu einer Abnahme der Verbreitung dieser Verschwörungsvorstellungen. Hessel beschreibt den Kern dieser Ideen als den Glauben an verborgene, mächtige Gruppen, die die Gesellschaft manipulieren oder kontrollieren.
Historisch lassen sich solche Vorstellungen bis zurück zur industriellen und Französischen Revolution verfolgen. Während dieser Zeit wurden Verschwörungsmythen, wie die über die Illuminaten und Freimaurer, populär. Augustin Barruel propagierte die Auffassung, dass die Französische Revolution das Resultat einer Verschwörung sei. Diese elitären Vereinigungen waren eng mit der Aufklärung und der bürgerlichen Öffentlichkeit verbunden, was zu einer Tradition von Verschwörungsmythen führte, die sich im 19. Jahrhundert weiterentwickelten. Insbesondere die Theorie der jüdischen Weltverschwörung, die später von den Nazis instrumentalisiert wurde, nimmt hier eine zentrale Rolle ein.
Psychologische Wurzeln des Verschwörungsglaubens
Menschen mit einer Neigung zu Verschwörungsglauben suchen häufig nach Ordnung in einer chaotischen Welt. Diese Neigung zeigt sich auch in ihrer Wahrnehmung künstlerischer Werke; sie neigen dazu, Muster in abstrakten Gemälden zu erkennen. Die psychologische Forschung zu Verschwörungsglauben ist eine relativ junge Disziplin. Erste Studien, wie die von Ted Goertzel im Jahr 1994, legten den Grundstein für diese Forschung, die zunächst als Nischenthema galt, jedoch 2008 durch eine Veröffentlichung von Jennifer A. Whitson und Adam D. Galinsky in „Science“ an Bedeutung gewann.
Die Forschung hat sich in Richtung systematischer Methoden gewandelt, wobei verschiedene Ansätze wie Korrelationsstudien, Experimente und Meta-Analysen zur Anwendung kommen. Diese Methoden helfen, die komplexen Zusammenhänge zwischen Verschwörungsglauben und psychologischen Faktoren zu verstehen. Kontrollverlust stellt sich als ein weiterer Faktor heraus, der den Glauben an Verschwörungen verstärkt. Längsschnittstudien zeigen zudem, wie sich Verschwörungsmentalitäten über die Zeit entwickeln können. Es wurde festgestellt, dass dieser Glaube existentielle, soziale und epistemische Bedürfnisse befriedigt, indem er den Menschen ein Gefühl von Kontrolle und Sicherheit in Krisensituationen vermittelt, das Selbstwertgefühl hebt sowie bei der Sinngebung und Mustererkennung in komplexen Zusammenhängen hilft.
Gesellschaftliche Dimensionen und Herausforderungen
Hessel betont, dass Verschwörungsvorstellungen nicht nur individuelle Glaubenssysteme sind, sondern auch ein Symptom für die gesellschaftlichen Zustände und das politisch-kulturelle Klima. In Deutschland zeigen aktuelle Studien, dass ein Drittel der Befragten in der Leipziger Autoritarismus-Studie Verschwörungen als Erklärungsmuster akzeptiert. Diese Vorstellungen haben den potenziellen Effekt, die Grundlagen der Demokratie zu untergraben und den Dialog zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu erschweren.
Um gegen diese antidemokratischen Tendenzen vorzugehen, sind Bildung, Aufklärung und soziale Gerechtigkeit zwingend erforderlich. Hessel ist der Ansicht, dass es wichtig ist, Widersprüche auszuhalten und andere legitime Interessen zu akzeptieren. Autoritäre Strukturen bieten den Menschen oft eine bequeme Zuflucht, da sie Verantwortungen abgeben können. Im Gegensatz dazu erfordert ein demokratisches System aktives Lernen und Engagement. Trotz der Herausforderungen sieht Hessel Hoffnung in der Fähigkeit der Menschen zur Vernunft und dem Engagement für solidarische gesellschaftliche Teilhabe.
Die Auseinandersetzung mit Verschwörungstheorien ist nicht nur eine fachliche Herausforderung, sondern auch eine gesellschaftliche Notwendigkeit, um den Fortbestand und die Qualität demokratischer Strukturen zu sichern. Umso wichtiger ist ein kritischer Dialog über die aktuellen Entwicklungen und die Ursachen des Verschwörungsglaubens, die in vielerlei Hinsicht nachvollziehbar sind.
Für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema bietet news.rub.de detaillierte Einblicke in die Forschung von Florian Hessel. Ergänzende Informationen zur Psychologie des Verschwörungsglaubens finden sich auch bei bpb.de. Auch unipub.uni-graz.at stellt weitere interessante Studien und Erkenntnisse zu diesem Thema zur Verfügung.
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Vorfall | Sonstiges |
Ort | Bochum, Deutschland |
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