Enkel deckt die dunkle Vergangenheit seines Großvaters auf: Ein Buch über Schuld und Sühne
Meinerzhagen, Deutschland - Die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ist ein wichtiges und oft sensibles Thema in Deutschland. Lorenz Hemicker, ein gebürtiger Gummersbacher, widmet sich in seinem neuen Buch der schrecklichen Geschichte seines Großvaters, Ernst Hemicker, der als Mitglied der SS aktiv an der Ermordung von mehr als 27.000 Juden beteiligt war. Dabei vermeidet er die persönliche Beziehung und spricht von „dem Ernst“, was die schwierige Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte verdeutlicht. Das Buch erzählt nicht nur von Ernests Aktivitäten während des Zweiten Weltkriegs, sondern auch von seiner Jugend in Gummersbach und seinen Erfahrungen im Ersten Weltkrieg.
Ernst Hemicker, geboren 1896, war nicht nur Mitglied der SS, sondern auch Tiefbauingenieur. Er war verantwortlich für den Bau der Gruben, in die die Leichen der ermordeten Menschen gekippt wurden. Während er 1973 starb, bevor er wegen seiner Vergehen, die in über 25.000 Fällen Beihilfe zum Mord beinhalteten, verurteilt werden konnte, wurde er schon in den 1960er Jahren von der Staatsanwaltschaft verhört.
Spurensuche und offene Fragen
Lorenz Hemicker, 1978 in Gummersbach geboren und in Kierspe aufgewachsen, hat sein ganzes Leben der Aufarbeitung dieser dunklen Kapitels gewidmet. In seinem Buch teilt er die Ergebnisse seiner jahrelangen Recherchen in Archiven und Bibliotheken sowie Interviews mit Holocaust-Überlebenden. Dabei entschlüsselt er die Rolle seines Großvaters bei einem Massaker in der Nähe von Riga im Spätherbst 1941. Auch wenn er Ernst Hemicker nie persönlich kennenlernte, ist dessen Schatten Teil seines Lebens. „Der Ernst“ war stets ein Thema innerhalb seiner Familie.
Die zentrale Lesung aus dem Buch „Mein Großvater, der Täter“ findet am 28. April um 19.30 Uhr in der Stadthalle Meinerzhagen statt. Interessierte können Karten zu Preisen von 12 beziehungsweise 8 Euro im Vorverkauf erwerben, während die Abendkasse 14/10 Euro verlangt.
Holocaustforschung im Fokus
Die Thematik von Lorenz Hemickers Buch steht in einem größeren Kontext der Holocaustforschung, die sich mit den Gräueltaten des nationalsozialistischen Regimes auseinandersetzt. Diese Forschung untersucht die Ermordung von etwa sechs Millionen Juden sowie andere Massenmorde wie den Porajmos an Roma oder die Aktion T4, die Behinderte betraf. Historische Entstehungsbedingungen, Entscheidungsprozesse und die Rolle der Täter und Mittäter sind dabei zentrale Aspekte in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, die in Institutionen wie Yad Vashem in Jerusalem und dem United States Holocaust Memorial Museum in Washington D.C. weitergeführt wird.
Holocaustforschung begann bereits während des Krieges mit der Dokumentation von Zeitzeugenberichten. In Deutschland konzentrierte sich die Forschung nach 1945 zunächst stärker auf die Aufstiegsbedingungen des NS-Regimes, sodass der Holocaust selbst weniger behandelt wurde. Diese Ungleichheit in der Forschung hat sich seit den 1960er Jahren verändert, wobei die interdisziplinäre Erforschung der Ursachen und Auswirkungen von Extremismus und Radikalisierung zunehmend wichtig wird. Auch die psychologischen Aspekte der Täterforschung werden dabei betrachtet, um zu verstehen, wie es zu solch unfassbaren Verbrechen kommen konnte.
So ist die Spurensuche von Lorenz Hemicker nicht nur ein privates Anliegen, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur kollektiven Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Erbe und den langanhaltenden Auswirkungen auf die deutsche Gesellschaft.
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Vorfall | Sonstiges |
Ort | Meinerzhagen, Deutschland |
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