Kitas in Gießen vor dem Kollaps: Wo sind die Erzieherinnen?

In Gießen ist die Lage in den städtischen Kindertagesstätten angespannt, da ein erheblicher Personalmangel herrscht. Dies wurde jüngst in einer Sitzung des Sozialausschusses thematisiert, in der Jugendamtsleiterin Vanessa Jane van Harsselaar und Abteilungsleiterin Olga Büber-Fast die Drucksituation erläuterten. Aktuell sind sieben befristete Stellen unbesetzt, was zu regelmäßigen Aktivierungen von Notfallplänen führt. Diese Notwendigkeit hat zur Folge, dass Öffnungszeiten verkürzt und ganze Gruppen vorübergehend geschlossen werden müssen. Der aktuelle Krankheitsstand in den Kitas ist auch nach der Pandemie höher als zuvor, was die Situation zusätzlich verschärft.

Die Herausforderungen in den Kindertagesstätten werden durch den Mangel an Erzieherinnen verstärkt. Laut einer Analyse fehlen derzeit in zehn städtischen Kitas insgesamt zehn Stellen. Darüber hinaus haben 15 Kitas ihre Öffnungszeiten aufgrund des Personalmangels für mehrere Tage eingeschränkt. Im U3-Bereich (unter drei Jahren) ist der Mangel an Betreuungsplätzen besonders gravierend: Ende September fehlten insgesamt 389 Betreuungsplätze, wovon 206 für Kinder unter drei Jahren waren. Ein Blick auf die Fakten zeigt, dass ohne den akuten Personalmangel nur 287 Plätze hätten fehlen müssen.

Maßnahmen zur Verbesserung

Um der prekären Situation nachhaltig zu begegnen, plant die Stadt, bis 2026 über 400 neue Betreuungsplätze zu schaffen, wobei 321 davon für ältere Kinder und 92 für U3-Kinder vorgesehen sind. Zudem investiert die Stadt in die Bindung von pädagogischem Fachpersonal durch die Finanzierung von zusätzlichen Kräften in Familienzentren. Die Jugenddezernentin Gerda Weigel-Greilich gab an, dass der Überblick über die Lage bei freien Trägern jedoch fehlt.

Im Hinblick auf die Engpässe in der Ausbildung von Erzieherinnen wird auch die Forderung laut, die Ausbildungswege zu reformieren. Ein offener Brief von 26 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus dem Main-Kinzig-Kreis hebt hervor, dass die Hürden für den Zugang zur Ausbildung gesenkt werden sollten. Die jetzige Regelungen, die eine zweijährige Ausbildung zum Sozialassistenten vor der dreijährigen Praxisintegrierten Ausbildung (PivA) vorschreiben, führen zu einer Ausbildungszeit von bis zu fünf Jahren.

Soziale Herausforderungen

Neben der Problematik der Kinderbetreuung ist Gießen auch mit sozialen Herausforderungen konfrontiert, insbesondere in der Nördlichen Innenstadt. Dieser Stadtteil weist einen hohen migrantischen Bevölkerungsanteil auf, und 19% der 3.600 Bewohner beziehen Bürgergeld. Im Vergleich dazu leben 44% der Kinder und Jugendlichen in Bedarfsgemeinschaften in Armut, was den Gießener Durchschnitt von 26% erheblich übersteigt.

In Reaktion auf diese Herausforderungen wurde die Nördliche Innenstadt in das hessische Städtebauförderprogramm „Sozialer Zusammenhalt“ aufgenommen, um die Lebensqualität der dort lebenden Menschen zu verbessern. Maßnahmen wie ein integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept sollen helfen, die fehlende Begrünung und die unattraktiven öffentlichen Treffpunkte in der Nördlichen Innenstadt anzugehen.

Abschließend verwies Stadtrat Francesco Arman auf die positive Entwicklung im sozialen Wohnungsbau in Gießen, wo 274 Sozialwohnungen in den nächsten zwei Jahren geplant oder im Bau sind. Diese Initiativen stehen jedoch im Kontext der Notwendigkeit einer behutsamen Nachverdichtung und der Fokussierung auf inklusives und altersgerechtes Wohnen.

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