Odenthal jagt ein Nazi-Paar

Auch rechtsextremistische Mörder haben ein Recht auf Gerechtigkeit: Dies ist eine der Botschaften dieses neunten Beitrags von Thomas Bohn (Drehbuch und Regie) zum „Tatort: Hetzjagd“ aus Ludwigshafen. Um die Diskrepanz zwischen Emotion und Gesetz zu verstärken, hat Bohn sehr gegensätzliche Charaktere entworfen: hier der Konzertveranstalter „Rock gegen rechts“ Meinecke, dort ein tätowierter, dummer, blonder Neonazi.
Wenn einer ermordet wird und der andere zweifellos am Tatort war, scheint der Fall klar zu sein. Zumal der Neonazi Ludger Rehns (Daniel Noel Fleischmann) auf seiner Flucht eine Polizistin erschoss. Er kann diese Tat kaum leugnen, weil sie vor Zeugen stattfand; Obwohl er den Mord an Meinecke geplant hatte, führte er ihn nicht durch. Stattdessen behauptet er, eine Frau gesehen zu haben, die er für einen Rheingeist hielt.
Spuren einer Frau am Tatort
Tatsächlich gibt es am Tatort Spuren, die höchstwahrscheinlich von einer Frau stammen. Aus Sicht der Ermittler entlastet ihn dies jedoch nicht, da seine Freundin Hedwig (Anne-Marie Lux) in denselben faschistischen Kreisen wie er herumtollt. Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) hat keinen Grund, an der Schuld des Mannes zu zweifeln, zumal Meinecke auf der Todesliste des Nazi-Netzwerks Revenge88 stand und bereits verschiedene Morddrohungen erhalten hat.
Der Kommissar fühlt sich auch verantwortlich: Der Konzertveranstalter bat um persönlichen Schutz; kurz vor seinem tod musste sie ihm mitteilen, dass dies aus personellen mangeln nicht möglich war. Der Fall ist auch für den Verfassungsschützer Leonhardt (Oliver Stritzel) klar; nur Odenthals Kollegin Stern (Lisa Bitter) glaubt Rehns ‚Zusicherungen. Und tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass das Verbrechen doch keinen politischen Hintergrund hat.
Bohn gibt seinen Geschichten gerne eine Wendung
Bohns Geschichten sind immer interessant, weil er ihnen gerne eine Wendung gibt – einen Wendepunkt, den Sie nicht erwarten. Diesmal ist das jedoch nicht so überraschend wie erhofft. Immerhin bemerkt jeder einigermaßen erfahrene Sonntagsverbrecherfanatiker, wenn eine scheinbar nicht mehr wichtige Nebenrolle im Vordergrund steht. Die Anziehungskraft des Films geht über die bloße Suche nach einem Täter hinaus, und zwar nicht nur aufgrund der Informationen über die Neonazi-Szene, die mehr als nur ein gruseliges Accessoire ist: Bohn fügte der Handlung eine sekundäre Ebene hinzu, die sich plötzlich in die Richtung verlagert Center.
Plötzlich verwandelt sich die Suche nach einem Mörder in ein Drama über zwei Frauen, deren Existenz völlig aus den Augen verloren hat: Meineckes Freundin Maria (Anna Hermann) wandert genauso ziellos durch die Nacht wie Hedwig, die Freundin des mutmaßlichen Neonazis. Wenn sich die beiden treffen, fühlen sie instinktiv eine gewisse Bindung, ohne zu wissen, wer der andere ist. Diese plausible und überzeugende Begegnung ist mindestens so ansprechend wie der eigentliche Fall, zumal Hedwig keineswegs nur ein gedankenloser Anhänger ist, sondern ein ebenso überzeugter Neofaschist wie Rehns.
„Tatort: Hetzjagd“ Handwerkskunst auf hohem Niveau
In handwerklicher Hinsicht ist „Hetzjagd“ wie alle Filme von Bohn ohnehin auf einem hohen Niveau. Die Jagd nach dem Nazi-Paar ist packend inszeniert, die Musik (Hans Franek) ist hervorragend. Und während Todesfälle an anderen Orten oft mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen werden, weil Menschen in Kriminalromanen sterben, herrscht hier tiefe Bestürzung nach den tödlichen Schüssen auf die Polizistin.
Dies bedeutet wiederum, dass selbst diejenigen Kollegen, die möglicherweise keine makellosen Demokraten sind, nicht einmal geheime Sympathien für Meineckes mutmaßlichen Mörder hegen. Während eines kurzen Gastauftritts drückt Sänger Clueso aus, worüber Bohn sein Publikum nachdenken lassen möchte: Wie viele Menschen müssen sterben, bevor Politiker und Polizei endlich aufwachen?
Odenthals Sonntagsrede
Das Misstrauen gegenüber dem Schutz der Verfassung geht in die gleiche Richtung. Seine Mitarbeiter kommen im Krimi sowieso nie gut zurecht, und Oliver Stritzel verkörpert den arroganten Offizier auch nachdrücklich unsympathisch. Rehns ‚Behauptung, die Staatssicherheitsbeamten hätten Meinecke ermordet, um einen Grund zu haben, die rechte Szene weiter zu untersuchen, klingt tatsächlich weniger weit hergeholt als sein Trottel über das Geistwesen.
Der einzige Schwachpunkt in der Aufführung ist ein Dialog zwischen den beiden Polizistinnen, in dem Odenthal dem psychologisch geschulten Kollegen aller Menschen erklärt, dass die meisten Menschen ihre eigenen Ängste hassen und diesen Hass dann öffentlich machen; Deshalb müssten wir „mehr miteinander reden und eine klare Kante zeigen, bevor es zu spät ist“. Das stimmt natürlich, aber es klingt wie eine Sonntagsrede. Odenthals gute Tat ist am Ende weitaus ausdrucksvoller.
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