MAM-Care: Wie Frauen und Ärzte die Geburtshilfe in Bonn verbessern können

Wie Geburtshilfe neu gedacht werden kann — Universität Bonn
Im Rahmen des Projekts MAM-Care analysiert die Nachwuchsgruppe der Universität Bonn die Qualität der geburtshilflichen Versorgung in Deutschland aus dualer Perspektive: sowohl der Gebärenden als auch der medizinischen Fachkräfte. Unter der Leitung von Prof. Dr. Nadine Scholten verfolgt die Gruppe einen integrativen Ansatz, indem sie medizinische Versorgungsdaten mit Befragungs- und Interviewdaten kombiniert. So berichten Mütter über ihre Erfahrungen bei der Geburt, während Geburtshilfe-Experten ihre praktischen Herausforderungen schildern. Insgesamt nahmen 1.102 Mütter, 875 Fachleute und 1.373 Hebammen an der Untersuchung teil.
In den ersten drei Jahren des Projekts wurden signifikante Erkenntnisse gewonnen, die auf positive Aspekte sowie Verbesserungsmöglichkeiten in der deutschen Geburtshilfe hinweisen. Prof. Scholten, die auch die Forschungsstelle für Gesundheitskommunikation und Versorgungsforschung leitet, hebt hervor, dass die Ergebnisse eine solide Grundlage für zukünftige Optimierungen darstellen.
Brennpunkte: Dammschnitt und Fundusdruck
Ein zentraler Aspekt der Forschung ist der kritische Blick auf bestimmte geburtshilfliche Praktiken. Beispielsweise wird der sogenannte Fundusdruck, eine externe Druckausübung auf den Bauch während der vaginalen Geburt, trotz fehlender evidenzbasierter Unterstützung häufig angewendet. Diese Methode wird von vielen Frauen als traumatisch erlebt. Studien zeigen, dass Assistenzärzt*innen diese Intervention signifikant häufiger einsetzen als erfahrene Fachärzt*innen, was auf die Notwendigkeit einer Überarbeitung in der Ausbildung und klinischen Praxis hinweist.
Zusätzlich wird die Evidenz für den Einsatz von Dammschnitten immer stärker hinterfragt. Während ursprünglich angenommen wurde, dass diese Eingriffe zur Vermeidung von Dammrissen notwendig sind, gibt es kaum Belege dafür. Erhebungen zeigen, dass jede siebte vaginal geborene Mutter einen Dammschnitt erleidet, wobei viele Frauen nicht ausreichend über die Entscheidung informiert wurden und eine signifikante Anzahl damit nicht einverstanden war.
Selbstbestimmung im Kreißsaal
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Selbstbestimmung der Gebärenden. Im Rahmen der MAM-Care-Studie wurde festgestellt, dass die Zufriedenheit der Frauen stark mit der Möglichkeit korreliert ist, die Endposition bei der Geburt selbst zu wählen. Trotz dieser Erkenntnis berichteten fast 40 Prozent der Befragten, die in Rückenlage gebären mussten, dass dies nicht ihre eigene Wahl gewesen sei. Um diese Situation zu verbessern, plant das Forschungsteam, in der nächsten Projektphase durch subtile Anreize, bekannt als Nudges, den Frauen mehr Handlungsspielraum zu ermöglichen. Diese Ansätze zielen darauf ab, kleine, aber effektive Veränderungen in der Geburtsversorgung einzuführen, die die Entscheidungsfreiheit der Frauen nicht einschränken.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Forschung der Universität Bonn wertvolle Perspektiven für eine zeitgemäße Geburtshilfe bietet. Die Kombination aus quantitativen und qualitativen Daten ermöglicht es, die Bedürfnisse und Erfahrungen von Müttern sowie die Herausforderungen des medizinischen Personals besser zu verstehen. Dadurch entsteht eine solide Grundlage für zukunftsorientierte Anpassungen im Bereich der geburtshilflichen Versorgung in Deutschland.
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