Traumatische Kinderverschickung: Letzter Runder Tisch in St. Peter-Ording

Traumatische Kinderverschickung: Letzter Runder Tisch in St. Peter-Ording
Am 18. Juli 2025 hat der Runde Tisch zur Kinderverschickung in St. Peter-Ording zum letzten Mal getagt. Dies war ein bedeutender Schritt auf dem Weg zur Aufarbeitung eines dunklen Kapitels der deutschen Nachkriegsgeschichte. Gespräche und Berichte von Betroffenen haben gezeigt, wie schmerzhaft die Erfahrungen waren, die viele dieser sogenannten Verschickungskinder zwischen 1945 und 1990 erlitten haben. In dieser Zeit wurden geschätzt zwischen 6 und 8 Millionen Kinder für medizinische Kuren an die Westküste geschickt, darunter allein in St. Peter-Ording etwa 325.000 Kinder und Jugendliche, die in rund 50 Heimen untergebracht waren. Wie NDR berichtet, wurde der Runde Tisch auf Wunsch der Betroffenen ins Leben gerufen, um deren leidvolle Geschichten zu hören und zu dokumentieren.
Das Projekt, das von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel unter der Leitung von Prof. Peter Graeff und Dr. Helge-Fabien Hertz koordiniert wird, beleuchtet die Erfahrungen dieser Kinder detailliert. Eine erste Analyse beruhte auf mehr als 1.000 Seiten Überlieferungsmaterial und 450 Datensätzen sowie Interviews mit Betroffenen. Darin fanden sich erschreckende Berichte über seelische Gewalt, wie Beschimpfungen und Isolation. So schildert Christa Schneider, ein ehemaliges Verschickungskind, ihre Leidensgeschichte im Kinderkurheim „Schloss am Meer“. Sie erhielt Abführmittel und musste Erbrochenes essen, was ihre Rückkehr nach Hause zu einem traumatischen Erlebnis machte, da ihre Eltern ihr nicht glaubten. Laut Deutschlandfunk wurden diese Kuren oft als Heilmaßnahmen für Atemwegserkrankungen angeboten, finanziert durch Kranken- und Rentenkassen.
Erfahrungen und Aufarbeitung
Die Verkettung von Zwang und Misshandlungen in den Heimen ist alarmierend. Trotz der harten Aufarbeitung ist es den Betroffenen wichtig, dass nicht nur Entschädigungen gefordert werden, sondern vor allem Aufklärung und Verantwortung. Der Verein zur Aufarbeitung und Erforschung von Kinderverschickung (AEKV) fordert eine umfassende Aufarbeitung der Ereignisse und eine Zusammenarbeit mit den Betroffenen. Die Studie hat festgestellt, dass viele Kinder in eine strikte Ruhepflicht gezwungen wurden, welche sie als Qual erlebten, während der Kontakt zu den Eltern unterbrochen war, um Heimweh zu vermeiden.
Zwar sind einige Fortschritte zu verzeichnen, wie eine Machbarkeitsstudie der Deutschen Rentenversicherung Bund zur systematischen Aufarbeitung, jedoch kämpfen viele Betroffene noch mit den psychischen Folgen und dem Gefühl, dass ihre Geschichten nicht ausreichend gewürdigt werden. Die Diakonie Niedersachsen hat sich bereits für Versäumnisse entschuldigt, aber viele Träger der Heime haben noch keine offiziellen Erklärungen abgegeben. Es bleibt zu hoffen, dass die geplante Ausstellung zu den Kinderverschickungen in St. Peter-Ording, die auf die Vielfalt der Erfahrungen aufmerksam machen soll, ein Schritt in die richtige Richtung ist.
Die Aufarbeitung dieser Thematik erfordert Geduld und das gute Händchen, um Betroffene in den Mittelpunkt zu stellen. Das Trauma der Kinderverschickung ist ein schwieriger Ballast, den wir nicht lange ignorieren dürfen.