Die Anglisierung der Wissenschaft: Gefährdet sie unser Deutsch?

München, Deutschland - In den letzten Jahren ist an deutschen Hochschulen ein bemerkenswerter Trend zu beobachten: Die Verwendung der deutschen Sprache in der Wissenschaft nimmt ab, während Englisch zunehmend zur Lingua Franca avanciert. Dies wird als Zeichen internationaler Offenheit gefeiert, doch es gibt auch kritische Stimmen, die den Niedergang des Deutschen als Wissenschaftssprache beklagen. Ein Artikel in der Welt aus Januar 2025 weist darauf hin, dass Deutsch einst bis zum Ersten Weltkrieg eine der führenden Wissenschaftssprachen war. Heute publizieren die meisten renommierten Fachzeitschriften überwiegend auf Englisch.
Besonders auffällig ist die Entwicklung in Bayern, wo der Anteil der Masterstudiengänge, die überwiegend in Englisch angeboten werden, auf über 25 Prozent gestiegen ist. Dies entspricht einer beinahe Verdopplung in den letzten Jahren. Im Vergleich dazu beträgt der Anteil der englischsprachigen Bachelorstudiengänge bereits 4,35 Prozent und hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als vervierfacht. An der Technischen Universität München (TU München) finden in 70 von 111 Masterstudiengängen derzeit die Vorlesungen überwiegend auf Englisch, und die Universität selbst bezeichnet sich als „The Entrepreneurial University“.
Die Gefahren der Anglisierung
Die voranschreitende Anglisierung könnte weitreichende Folgen haben. Experten warnen, dass die Präzision der deutschen Sprache gefährdet ist. So führt der Artikel Beispiele für Übersetzungsprobleme an, wie etwa den Begriff „Faserzelle“, welcher im Englischen als „fibre cell“ übersetzt wird und mehrere Bedeutungen hat. In der Philosophie sind Begriffe wie „Darstellung“ und „Vorstellung“ im Englischen als „Repräsentation“ zusammengefasst, was die ursprüngliche Bedeutung nicht korrekt wiedergibt.
Ein internationaler Austausch in der Forschung wird oft als Grund für die Anglisierung angeführt. Gaststudenten sind häufig gezwungen, nur Deutsch für Freizeitaktivitäten zu lernen, nicht jedoch für ihr Studium. Dies könnte einheimische Studenten benachteiligen und zur Folge haben, dass weniger deutsche Absolventen in zukunftsweisenden Forschungsfächern hervorgehen.
Aufruf zu mehrsprachigen Studiengängen
Um diesem Trend entgegenzuwirken, plaidieren die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und ADAWIS für eine differenzierte Mehrsprachigkeit in der Lehre. Die HRK empfiehlt, Deutsch als Sprache der grundständigen Lehre beizubehalten und Sprachlernprogramme zu integrieren. Ebenso sollen Publikationsindizes nicht nur englischsprachige Veröffentlichungen berücksichtigen, was auch von HRK-Präsident Prof. Horst Hippler betont wird.
Allerdings zeigen Umfragen des ADAWIS ein mangelndes Problembewusstsein und eine geringe Umsetzung dieser Empfehlungen an den Hochschulen. Kritische Stimmen, sowohl von Studenten als auch aus der Presse, äußern Bedenken bezüglich der Pläne der TU München, fast alle Studiengänge auf Englisch umzustellen. In diesem Zusammenhang veranstaltete die Universität Hamburg eine Podiumsdiskussion zur Mehrsprachigkeit in der Lehre, um die Herausforderungen und Chancen einer mehrsprachigen Hochschulbildung zu erörtern.
Fest steht, dass die Anglisierung nicht grundsätzlich abgelehnt wird, jedoch eine effektive Verständigung zwischen internationalen und deutschen Studierenden gewährleistet sein muss. Kritiker warnen davor, dass die Kommunikation und Interaktion zwischen Dozenten und Studenten einer englischsprachigen Lehre beeinträchtigt werden kann, was zu einem Verlust an Gedächtnis und Lernverstehen führen könnte.
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Ort | München, Deutschland |
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