Gauck eröffnet Erinnerungsort: Flüchtlingsgeschichten am Tor zur Freiheit

Am 19. Juni 2025 wird das „Notaufnahmelager Gießen“ eröffnet. Ehemaliger Bundespräsident Gauck spricht über Flucht und Freiheit.

Am 19. Juni 2025 wird das „Notaufnahmelager Gießen“ eröffnet. Ehemaliger Bundespräsident Gauck spricht über Flucht und Freiheit.
Am 19. Juni 2025 wird das „Notaufnahmelager Gießen“ eröffnet. Ehemaliger Bundespräsident Gauck spricht über Flucht und Freiheit.

Gauck eröffnet Erinnerungsort: Flüchtlingsgeschichten am Tor zur Freiheit

Gestern, am 19. Juni 2025, wurde in Gießen der Lern- und Erinnerungsort „Notaufnahmelager Gießen“ eröffnet. Ein Tag, der sowohl Erinnerungen als auch Emotionen hervorrief, nicht zuletzt durch die Anwesenheit von Joachim Gauck, dem ehemaligen Bundespräsidenten und Zeitzeugen der DDR. Er nahm rührend am Gedenkstein für den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 inne und hielt eine bewegende Festrede, in der er seine Kinder erwähnte, die zwischen 1987 und 1989 aus der DDR ausreisten. Gauck stellte in seiner Rede grundlegende Fragen zur Bedeutung von Freiheit und Liebe, die die Diskussion über die Ausstellung leiten werden. Das Lager, das von 1949 bis 1989 eine zentrale Anlaufstelle für Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR war, bot auch Zuflucht für viele Vertriebenen aus dem Osten nach dem Zweiten Weltkrieg sowie geflüchtete Menschen aus Ländern wie Afghanistan, Eritrea, Irak und Syrien.

Die Eröffnung zog zahlreiche Vertreter aus der Politik, der Stadtgesellschaft, Hochschulen und Zeitzeugen an. Neben Gauck teilte auch Volker Bouffier, der ehemalige Ministerpräsident, seine Kindheitserinnerungen an die Ankunft von Flüchtlingen aus der DDR mit.

Einblicke in die Fluchtgeschichten

Ein besonderes Augenmerk lag auf dem Beitrag des jungen Schülers Daniel Seibert, der Fluchtgeschichten im Rahmen des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten präsentierte. Er hatte dazu zwei Zeitzeugen eingeladen: Mohammad Sowaid, einen syrischen Flüchtling, sowie Elke Schlegel, eine politische Gefangene, die 1984 freigekauft wurde. Elke Schlegel berichtete eindringlich von ihren Erfahrungen im Frauengefängnis Hoheneck und den schwierigen Bedingungen während ihrer Haft.

Diese Erinnerungen sind Teil einer breiteren Aufarbeitung der Geschichte, die im Rahmen der neuen Dauerausstellung des Notaufnahmelagers behandelt werden soll. Die Ausstellung legt einen besonderen Schwerpunkt auf die DDR und die Bedeutung des Lagers. Sie beleuchtet die Schicksale von Heimatvertriebenen und Asylsuchenden und schließt Themen der Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und der Wiedervereinigung mit ein. Um Lehrkräfte darauf vorzubereiten, wird am 24. März 2025 eine erste Fortbildung in der Lehrkräfteakademie in Gießen stattfinden, in der sowohl die Konzeption der Dauerausstellung als auch das pädagogische Programm vorgestellt werden.

Der historische Kontext

Die Fluchtbewegungen aus der DDR sind eine zentrale Thematik, die die Geschichte der deutschen Teilung prägt. Zwischen 1949 und 1961 verließen rund 2,7 Millionen Menschen die DDR in Richtung der Bundesrepublik, oft aus politischen und religiösen Gründen oder aufgrund der miserablen Lebensbedingungen. Insbesondere junge, gut ausgebildete Menschen suchten eine bessere Zukunft im Westen. Die Mauer, die am 13. August 1961 errichtet wurde, machte ausreisewilligen Menschen den Grenzübertritt unmöglich und führte zu einer kritischen Situation in der DDR, die durch strenge Kontrollen und Repressionen geprägt war. Der Verlauf dieser Fluchtbewegungen wird ergänzt durch die Arbeit der Gedenkstätte in Gießen, die als ein Schlüssel zur Erinnerung an diese schmerzlichen Ereignisse fungiert und eine wichtige Rolle bei der Aufarbeitung der SED-Diktatur einnehmen möchte.

Insgesamt spiegelt die Eröffnung des „Notaufnahmelagers Gießen“ nicht nur die Geschichte der deutschen Teilung wider, sondern auch die ungebrochene Relevanz von Freiheit und Humanität, die weiterhin gegenwärtig ist. Ein Ort, der Erinnerungen wachhält und Raum für Reflexion und Bildung bietet.