München feiert Literatur: Melandri reflektiert über Krieg und Menschlichkeit

Neuhausen, Deutschland - Am 4. Mai 2025 wirft die italienische Autorin Francesca Melandri einen eindringlichen Blick auf die Konflikte der Vergangenheit und deren Relevanz für die Gegenwart. Im Rahmen des Italienischen Literaturfestivals München (ILfest), das vom 9. bis 11. Mai im Neuhauser Trafo stattfindet, wird Melandri ihr neuestes Werk „Kalte Füße“ vorstellen. Dieses Buch reflektiert die Geschichte ihres Vaters, der im Zweiten Weltkrieg an Mussolinis Invasion in die Ukraine teilnahm, sowie die damit verbundenen persönlichen und politischen Narrative.

Das ILfest, das in Kürze beginnt, thematisiert die Erzählung von Geschichte und die Konstruierung von Narrativen. Neben Melandri werden auch andere Schriftsteller wie Gian Marco Griffi, der sein Werk „Die Eisenbahnen Mexikos“ präsentiert, und Frederica Manzon, die ihren Roman „Alma“ vorstellt, teilnehmen. In Workshops und Lesungen wird zudem ein breites Publikum angesprochen, darunter auch Kinder, für die Übersetzungen auf Italienisch angeboten werden. Ein weiterer Höhepunkt ist die Verleihung des Jugendbuchpreises Premio ILfest Giovani, der an Sara de Martino für ihr Buch „Fuga dal Paradiso“ geht.

Das Buch „Kalte Füße“ und die Auseinandersetzung mit der Geschichte

In ihrem Roman „Kalte Füße“ verbindet Melandri persönliche Erinnerungen mit einer umfassenden historischen Recherche. Sie beschreibt, wie ihr Vater, ein 23-jähriger Leutnant der Gebirgsjäger, während des Feldzugs gegen die Ukraine auf sich alleine gestellt war. Melandri stellt in ihrem Buch die Verbindung zwischen ihrer familiären Geschichte und den politischen Realitäten der Vergangenheit her, die bis in die Gegenwart hineinwirken. Das Werk wird als eine Art politisches Dokument beschrieben, das die komplexen Facetten der italienischen Geschichte anspricht und dabei auch die faschistische Kolonialgeschichte Italiens thematisiert.

Die Invasion Italiens in die Sowjetunion begann 1941, als Mussolini erklärte, dass Italien an der Seite von Hitler in den Krieg ziehen würde. Melandri schildert, wie italienische Soldaten, insbesondere die Alpini, unter extremen Bedingungen litten und in der Ukraine plünderten. Ihr Vater kehrte nahezu unversehrt zurück, während viele seiner Kameraden erfroren. Die titelgebenden „Kalten Füße“ stehen symbolisch für die unzureichende Ausstattung der italienischen Soldaten und verweisen auf die humanitären Tragödien dieser Zeit.

Politische Reflexionen und heutige Relevanz

Melandri thematisiert auch die Verzerrung der Erinnerung in Italien, die den Mythos der Soldaten als Opfer propagiert, wobei die Täterrolle oft ignoriert wird. Diese kritische Auseinandersetzung spiegelt sich auch in der aktuellen italienischen Politik wider, in der sie Verbindungen zu den politischen Strömungen der Gegenwart sieht. Die Wahl Giorgia Melonis zur Ministerpräsidentin und die öffentliche Debatte um den Ukraine-Krieg zeigen, wie vergangene Konflikte immer noch politisch instrumentalisiert werden, sowohl von rechter als auch linker Seite. In Italien wird häufig ein Verständnis für Putins Krieg in der Ukraine gestoßen.

Melandri weist darauf hin, dass der Umgang mit der eigenen Geschichte essenziell für die Entwicklung einer kritischen Erinnerungskultur ist, um die Wiederholung historischer Fehler zu vermeiden. Sie fordert einen demokratischen Prozess in der Geschichtsdarstellung, der unterschiedliche Perspektiven zulässt. Zudem beschreibt sie, wie sie in ihren Erzählungen fiktive Figuren einsetzt, um die Lücken in der Geschichte zu schließen und menschliches Verhalten differenziert darzustellen.

Das ILfest wird nicht nur als Plattform für literarische Veranstaltungen dienen, sondern fungiert auch als Raum für die kritische Auseinandersetzung mit wichtigen gesellschaftlichen Themen. Informationen und Tickets sind auf der Webseite des Festivals erhältlich.

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Ort Neuhausen, Deutschland
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