75 Jahre NATO: Historisches Treffen in Brüssel und neue Luftverteidigung für Ukraine

Der Führer der freien Welt verkündet eine „historische Spende“: Eine Analyse der NATO-Jubiläumsveranstaltung
Die Feier zum 75. Jahrestag der NATO am 4. April war eine nüchterne Veranstaltung im Hauptquartier in Brüssel. Das Orignal des Nordatlantikvertrags, das extra aus Washington eingeflogen wurde, war das einzige hervorstechende Objekt. Dagegen bot der Auftakt des Jubiläumsgipfels am Dienstagabend im Andrew W. Mellon Auditorium, wo der Vertrag vor 75 Jahren unterzeichnet worden war, eine beeindruckende Bühne für eine Inszenierung, die mehr einem Musical als einer Gedenkstunde ähnelte. Doch hinter der pompösen Fassade verbargen sich wesentliche politische Botschaften und Entscheidungen, die weit über die Feierlichkeiten hinausgehen.
Luftverteidigungssysteme: Ein greifbares Ergebnis für die Ukraine
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj war persönlich anwesend und reagierte sofort auf die Ankündigung von US-Präsident Joe Biden. Selenskyj erklärte via Twitter, dass die Lieferung von fünf weiteren strategischen Luftverteidigungssystemen, die menschliche Leben, Städte und kritische Infrastruktur schützen soll, ein „greifbares Ergebnis“ seines ersten Tages beim NATO-Gipfel sei. Obwohl diese zusätzlichen Systeme nicht die vollständigen Erwartungen der Ukraine erfüllen – Selenskyj hatte Ende April mindestens sieben weitere Einheiten gefordert – ist diese Ankündigung dennoch von großer Bedeutung für das kriegsgebeutelte Land.
Strategische Luftverteidigung für die Ukraine und weitere Unterstützungspläne
Die angekündigte Lieferung umfasst nicht nur strategische Luftverteidigungssysteme, sondern auch Dutzende taktische Systeme, die in den nächsten Monaten bereitgestellt werden sollen. Darunter fallen das von Deutschland entwickelte System Iris-T, das amerikanisch-norwegische System Nasams, das US-System Hawk und der deutsche Flugabwehrkanonenpanzer Gepard. All diese Waffensysteme sind bereits in der Ukraine im Einsatz. Zudem sollen weitere Abfangraketen geliefert werden, wobei Biden sicherte, dass bei Exporten „die Ukraine in der Schlange nach vorne geht“, um sicherzustellen, dass das Land die notwendige Verteidigungsunterstützung erhält.
Die Bedeutung des NATO-Beitritts der Ukraine
Ein weiteres zentrales Thema bei den Arbeitssitzungen der 32 NATO-Mitgliedstaaten war die Zukunft der Ukraine innerhalb des Bündnisses. Zwar erhielt Kiew erneut keine Einladung zum Beitritt, dennoch bleibt der Weg zur Mitgliedschaft ein wesentlicher Diskussionspunkt. Die Abschlusserklärung soll den „unumkehrbaren Weg“ der Ukraine in Richtung NATO-Mitgliedschaft betonen, obwohl Deutschland versuchte, diesen Passus zu streichen.
Die USA und andere Mitglieder sehen die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine offenbar als möglichen „bargaining chip“ in künftigen Verhandlungen mit Russland. Dies wird von östlichen Mitgliedsstaaten kritisch betrachtet, die glauben, dass nur der Schutzschirm der NATO Russland von weiteren Angriffen abschrecken kann. Diese Spannungen und Uneinigkeiten unter den Verbündeten wurden während der Festivitäten in Washington zwar verdeckt, aber keineswegs aufgelöst.
Joe Biden unter Druck und die Bedeutung für die NATO
Joe Biden, der wegen seiner Kandidatur für eine zweite Amtszeit stark unter Druck steht, nutzte diese Gelegenheit, um seine Führungsstärke zu demonstrieren. Berichte über eine mögliche Parkinson-Erkrankung wurden vom Weißen Haus am Montag noch vehement zurückgewiesen, doch Biden machte einen vergleichsweise stabilen Eindruck während seiner Rede. Seine lautstarke, aber nicht immer deutliche Stimme sowie sein steifer Vortragsstil – geschuldet dem Teleprompter – wurden durchmomente Ironie aufgelockert. Seine Entschuldigung bei Stoltenbergs Frau für die Verlängerung von dessen Vertrag war ein solcher Moment.
Eine historische Perspektive und der Weg nach vorne
Stoltenberg erhielt zum Abschluss der Feierlichkeiten die präsidentielle Friedensmedaille von Biden, begleitet von den Klängen des Liedes „Let there be peace on earth“. Stoltenberg nutzte die Gelegenheit, um auf die historische Bedeutung der NATO hinzuweisen, die mit 75 Jahren die älteste und am längsten währende Allianz der Geschichte ist – sogar ein Jahr älter als der Attische Seebund im antiken Griechenland.
Die Festivitäten boten eine Bühne für entscheidende politische Ankündigungen und hinterließen einen klaren Eindruck: Während die NATO ihren 75. Jahrestag feierte, bleibt die Zukunft und Stabilität Europas weiterhin ein zentrales Anliegen. Die gelieferten Luftverteidigungssysteme und taktischen Unterstützungen, sowie die andauernden Diskussionen über die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, sind ein Beweis für das anhaltende Engagement und die Herausforderungen, denen sich das Bündnis gegenüber sieht.
– NAG