Ernährungswandel in Südportugal: 1500 Jahre Still- und Entwöhnungsgeschichte

Kindheit vor 1500 Jahren aufgedeckt — Universität Bonn
Eine internationale Studie unter der Leitung von Jun-Prof. Dr. Alice Toso von der Universität Bonn hat tiefgehende Einblicke in die Erziehungspraktiken in Südportugal im Laufe der letzten 1500 Jahre gewährt. Diese Untersuchung beleuchtet die Still- und Entwöhnungsgewohnheiten in verschiedenen religiösen Kontexten, darunter römische, muslimische und christliche Gesellschaften. Die Forscher machten Gebrauch von modernen statistischen Methoden, einschließlich einer Bayes’schen Modellierung und stabilen Isotopenanalyse, um die Ernährung von Säuglingen und Kindern anhand alter Skelettreste zu rekonstruieren.
Das Team analysierte Kohlenstoff- und Stickstoffisotope aus den Knochen von 143 Heranwachsenden sowie 46 Erwachsenen, die in verschiedenen archäologischen Fundorten in Portugal gefunden wurden. Die Ergebnisse dieser Analyse wurden mit bereits veröffentlichten Daten aus anderen Teilen der Iberischen Halbinsel verglichen. Diese umfangreiche Datenauswertung offenbarte nicht nur längere Entwöhnungszeiten, die bis weit über das zweite Lebensjahr hinausliefen, sondern auch variierende Stillpraktiken in den unterschiedlichen Religionsgemeinschaften.
Besonders bemerkenswert sind die unterschiedlichen Stillverläufe, die in den muslimischen Gesellschaften festgestellt wurden, wo eine längere Stilldauer üblich war. Im Gegensatz dazu war die Stilldauer bei römischen Frauen in Lissabon am kürzesten, was mit einer erhöhten lebenslangen Fruchtbarkeit und einem starken Bevölkerungswachstum in diesen Gemeinschaften in Verbindung gebracht werden könnte. Muslime hielten sich dabei oft an religiöse Vorgaben, die eine Stillzeit von zwei vollen Jahren empfehlen.
Die Studie legt nahe, dass die Ernährungsgewohnheiten von der Kindheit bis zur Jugend sich signifikant veränderten und dass diese Veränderungen auch innerhalb derselben Stadt, wie beispielsweise Lissabon, zu beobachten waren. Die Variationen in der Stilldauer und der Entwöhnungsnahrung reflektieren nicht nur individuelle Lebensgeschichten, die mithilfe von Zahndentinen rekonstruiert wurden, sondern weisen auch auf Verschiebungen in sozialen Rollen und mütterlicher Autonomie hin.
Alice Toso betont, dass diese Untersuchung die umfassendste isotopische Analyse der Kinderernährung auf der Iberischen Halbinsel darstellt. Sie erweitert unser Verständnis historischer Erziehungsmethoden und der Ernährung von Kindern und zeigt auf, wie eng diese Aspekte mit kulturellen und wirtschaftlichen Veränderungen verbunden sind. Das Forschungsteam hofft, dass diese Studie weitere isotopische Untersuchungen zu historisch marginalisierten Bevölkerungsgruppen, insbesondere zu Frauen und Kindern, anregen wird.
Details | |
---|---|
Quellen |