Politik und Glaube: Kirchen sollen sich zurückhalten!

Politik und Glaube: Kirchen sollen sich zurückhalten!
Der Diskurs über die Rolle der Kirchen in der Politik gewinnt immer mehr an Fahrt. Am 19. Juli 2025 fordert der CDU-Politiker und ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn, dass sich Kirchen aus der Tagespolitik heraushalten. In einem Interview mit der Bistumszeitung „Kirche+Leben“ aus Münster drückt Spahn seine Sorge darüber aus, dass zu viele kirchliche Stellungnahmen zu politischen Themen wie Hartz IV und Flüchtlingspolitik über das Ziel hinausschießen. Er sieht in der Aufgabe der Kirchen eine Rückbesinnung auf Glaubensfragen und eine Orientierung für die Menschen in der Gesellschaft.
Spahn ist nicht allein mit dieser Meinung. Auch Markus Söder, der evangelische Ministerpräsident von Bayern, und Julia Klöckner, die katholische Bundestagspräsidentin, sprechen sich für einen klaren Rückzug der Kirchen aus der aktuellen Tagespolitik aus. Klöckner bringt es auf den Punkt, indem sie sagt, dass Kirchen nicht wie NGOs agieren sollten, und betont, dass es nicht notwendig sei, sich zu politischen Tagesfragen zu äußern. Damit geht eine wichtige Frage einher: Dürfen Kirchen sich künftig nur noch zu Themen äußern, die den politischen Parteien genehm sind?
Rechtslage und besondere Rechte
Ein Blick in das Grundgesetz verdeutlicht die Komplexität dieser Thematik. Artikel 140 besagt, dass es in Deutschland keine Staatskirche gibt, doch Kirchen haben als Körperschaften des öffentlichen Rechts einen Sonderstatus. Dieser besondere Status bringt nicht nur steuerliche Begünstigungen, sondern auch Mitgliedschaften in Rundfunkräten mit sich. Dies wirft die Frage auf: Welche Verantwortung tragen Kirchen in einer pluralistischen Gesellschaft, in der die Säkularität und die Vielfalt der Überzeugungen zunehmen? Kirchenverfassung2020 beschreibt, dass Religionsgemeinschaften eine gewisse Freiheit in der Bekenntnisausübung besitzen, solange sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung anerkennen.
Die CDU/CSU fordert von den Kirchen, dass sie den Fokus auf ihre eigentlichen Werte legen, eine klare Haltung einnehmen, wenn es um den Lebensschutz geht, und sich nicht in Themen wie Tempolimits oder Klimaschutz verwickeln. Klöckner hebt hervor, dass es in bioethischen Fragen, wie etwa Abtreibung oder Sterbehilfe, absolut wichtig sei, dass Kirchen ihre Stimme erheben. Aber wie definiert man „christliche Werte“, und wer gibt diesen Werten Gewicht?
Politisches Engagement und Integration
Während Spahn und die anderen Politiker die Kirchen ermahnen, sich aus der Politik herauszuhalten, gleichzeitig aber auch auf eine aktive Stimme in Glaubensfragen drängen, ergibt sich ein Spannungsfeld. Spahn beleuchtet auch die Herausforderungen der Integration von muslimischen Einwanderern in Deutschland. Er besteht darauf, dass Muslime sich offen mit der gesellschaftlichen Realität auseinandersetzen sollten und fordert eine offenere, kritischere Haltung gegenüber dem Islam.
Diese Thematik ist besonders relevant, da Spahn die Notwendigkeit anprangert, in Moscheen mehr Deutsch zu sprechen. Seine Kritik zielt darauf ab, dass viele türkische Imame kein Deutsch beherrschen, was die Integration behindert. Dieses Anliegen ist Teil eines größeren Diskurses über die Rolle von Religionen im Kontext einer zunehmend vielfältigen Gesellschaft.
Die gesellschaftliche Debatte zeigt, dass eine klare Trennung zwischen Kirche und Politik zwar angestrebt wird, die Realität jedoch komplexer ist. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Diskussion entwickelt, und welche Rolle die Kirchen in der künftigen politischen Landschaft Deutschlands einnehmen werden. Die Frage bleibt bestehen: Wann wurde der Begriff „NGO“ zu einem Kampfbegriff und was bedeutet das für das Verhältnis zwischen Religion und Gesellschaft?