Hempels wird 30: Erfolgsgeschichte und Herausforderungen für Obdachlose
Das Straßenmagazin "Hempels" feiert 30 Jahre und unterstützt Obdachlose in Schleswig-Holstein mit neuen digitalen Lösungen.

Hempels wird 30: Erfolgsgeschichte und Herausforderungen für Obdachlose
Vor genau 30 Jahren, am 11. Juli 1995, erblickte das Straßenmagazin Hempels in Kiel das Licht der Welt. Das Magazin hat sich seither als entscheidende Stimme für obdachlose und bedürftige Menschen etabliert, die es über den Verkauf von Hempels schaffen, ein eigenes Einkommen zu erzielen.
Bodo, der seit sechs Jahren vor einem Supermarkt in Eckernförde verkauft, bringt es auf monatliche Einnahmen zwischen 70 und 100 Euro, indem er von jedem verkauften Heft 1,60 Euro behält. Diese Einnahmen sind für viele Verkäufer:innen eine wichtige finanzielle Stütze. Die erste Ausgabe von Hempels, die im Februar 1996 auf den Markt kam, wurde sogar von den Verkäufern selbst verfasst.
Ein sinkender Kurs
In den letzten zehn Jahren hat die Auflage von Hempels jedoch um knapp ein Drittel abgenommen und liegt aktuell bei 14.000 Exemplaren pro Monat. Gründe dafür sind unter anderem der allgemeine Rückgang des Zeitungskaufs sowie die abnehmende Bargeldverfügbarkeit. Jo Tein, Mitgründer und Vorsitzender des Vereins, zeigt sich dennoch optimistisch: „Wir arbeiten an digitalen Zahlungsmöglichkeiten per Smartphone und QR-Code, um mit der Zeit zu gehen“, sagt er.
Mit über vier Millionen verkauften Heften in 30 Jahren hat Hempels mehr als nur ein kleines Standbein gebildet. Die Erlöse helfen jährlich rund 30.000 Menschen, die in den Einrichtungen in Kiel Unterstützung erhalten. Alina, die seit einem Jahr verkauft, nutzt ihr Einkommen, um Musikunterricht für ihre Kinder zu finanzieren und gleichzeitig Deutsch zu lernen. Ihre Geschichte ist eine von vielen, die zeigen, dass die Verkäufer:innen oft skurrile Lebenswege haben – darunter auch Akademiker und Senioren.
Jubiläumsfeier und Ausstellung
Anlässlich des 30. Geburtstags findet heute um 14 Uhr eine Auftaktveranstaltung in der evangelischen Kieler Kirche St. Nikolai statt. Die Eröffnung der Fotoausstellung „Menschen wie wir“ ist ein Highlight dieses Jubiläums. Diese Ausstellung erzählt die bewegenden Geschichten der Verkäufer:innen und wird später auch in Lübeck, Husum und Flensburg zu sehen sein.
Wie der evangelischen Zeitung zu entnehmen ist, bleibt die Zahl der Verkäufer:innen in Schleswig-Holstein konstant bei rund 240. Trotz der Schwierigkeiten finden viele langfristig ihren Platz bei Hempels, denn der Weg aus der Armut ist oft steinig. So erzählt die Erfolgsgeschichte von Dirk Wulf, einem ehemaligen Drogenabhängigen, der heute als Lkw-Fahrer arbeitet und bei Hempels seine neue Perspektive fand.
Aktuell sind in Deutschland schätzungsweise 50.000 Menschen obdachlos – ein Trend, der leider steigend ist. Das Konzept „Housing First“ aus den USA, das Wohnraum als ersten Schritt zur Eingliederung in die Gesellschaft sieht, wird als vielversprechender Ansatz diskutiert, um Obdachlosigkeit nachhaltig zu bekämpfen.
Wenn auch die Auflagenzahlen von Hempels sinken, bleibt die Wichtigkeit dieser Initiative unbestritten. Hempels hält die Stimme derjenigen, die oft ungehört bleiben – und das ist mehr denn je nötig.