Fußball-Talente: Millionenverluste durch falsche Auswahlprozesse!

Lüneburg, Deutschland - Eine neue Studie, durchgeführt von Lukas Tohoff von der ROCKWOOL Foundation in Berlin und Mario Mechtel von der Leuphana Universität Lüneburg, deckt gravierende Missstände in der Nachwuchsförderung im deutschen Fußball auf. Die Analyse, veröffentlicht im Journal of Sports Economics, zeigt, dass falsche Auswahlprozesse in Vereinen zu enormen finanziellen Verlusten führen. Insbesondere die Bevorzugung körperlich robusterer und älterer Spieler führt dazu, dass weniger erfahrene Talente aus den zweiten Jahreshälften oft benachteiligt werden. Dies hat nicht nur unmittelbare Effekte auf die Spielerkarrieren, sondern auch langfristige Konsequenzen für die Bundesliga und die Nationalmannschaft.

Die Studie untersucht 2.383 ehemalige U15- bis U19-Spieler aus 17 erfolgreichen Nachwuchsleistungszentren in Deutschland, die zwischen 1988 und 2001 geboren wurden. Die Befunde belegen, dass erstaunliche 44,6% der geförderten U-19 Spieler im ersten Quartal des Jahres geboren wurden, während im Durchschnitt für diese Altersgruppe nur 25% zu erwarten wären. Darüber hinaus stammen 71,5% der Spieler aus dem ersten Halbjahr, obwohl hier eine gleichmäßigere Verteilung wünschenswert wäre.

Der Relative Age Effect

Der in der Studie beanspruchte Effekt, bekannt als Relative Age Effect (RAE), beschreibt das Phänomen, dass Spieler, die früh im Jahr geboren wurden, eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, in Talentförderprogrammen ausgewählt zu werden. Dies ist besonders im Jugendbereich ausgeprägt, wo Elterlichkeiten und Wettkampfverhalten in der Auswahl eine Rolle spielen. So zeigt eine aktuelle Analyse, dass in U10-Mannschaften von Bundesligisten die Hälfte der Spieler in den ersten sechs Wochen des Jahres geboren wurde. Die körperlichen Unterschiede, die bei Kindern, die fast ein Jahr auseinandergeboren sind, auftreten, können signifikant sein, jedoch verlieren diese Unterschiede oft an Bedeutung nach der Pubertät.

Trotz der breiten Erkenntnis über RAE in Sportarten wie Eishockey, Basketball und Handball bleibt die Problematik im Fußball bestehen. So wird im Jugendfußball oft der Fokus auf kurzfristige Wettkampferfolge gelegt, was Falschehrgeiz und eine ineffiziente Talentförderung fördert.Voor hebt hervor, dass mehr Spielzeit jenen Spielern gewährt wird, die körperlich weiter entwickelt sind. Dies führt zu Ungerechtigkeiten, da jüngere Spieler im Durchschnitt mehr leisten müssen, um die gleiche Aufmerksamkeit zu erhalten.

Maßnahmen gegen Ungerechtigkeiten

Um dem RAE entgegenzuwirken, gibt es einige vielversprechende Lösungsansätze. Bio-Banding, bei dem die Spieler nach biologischem Reifegrad und nicht nach chronologischem Alter gruppiert werden, könnte helfen, die negativen Auswirkungen der Altersvorzüge zu minimieren. Advance berichtet darüber, dass beispielsweise in Belgien Nachwuchsspieler ab U15 nach biologischem Alter eingeteilt werden, was sich als effektiv erwiesen hat. Zudem fordert der Schweizerische Fußballverband durch das Projekt FOOTECO die Förderung von Spätentwicklern, um uneffektive Selektionen zu vermeiden.

Ein Umdenken ist auch notwendig, um die Talentauswahl zu reformieren. Trainer und Vereine sollten die Unterschiede in der physikalischen Reife als wichtige Einflussfaktoren im Auswahlprozess erkennen und den jungen Spielern mehr Zeit zur Entwicklung geben. Langfristig sollte das Hauptziel im Nachwuchsfußball die Ausbildung von Spielern sein, statt kurzfristige Erfolge im Wettkampf.

Prof. Dr. Mario Mechtel und Lukas Tohoff sind für nähere Informationen erreichbar. Mechtel unter der Telefonnummer 04131/ 677 26 36 und Tohoff unter 0152/ 32 79 33 43.

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Vorfall Sonstiges
Ort Lüneburg, Deutschland
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