Bürgergeld-Reform: Drohen Totalsanktionen für Arbeitsverweigerer?

Merkur, Deutschland - Die politische Diskussion um das Bürgergeld und die damit verbundenen Sanktionsmechanismen nimmt neue Fahrt auf. CDU und SPD planen, das Bürgergeld durch eine grundlegende Reform der Grundsicherung zu ersetzen. Ziel dieser Reform ist es, Erwerbslose anzuregen, aktiver nach Arbeitsplätzen zu suchen, um ihre Bedürftigkeit zu beenden. Ein zentraler Aspekt dieser Reform ist die Drohung eines vollständigen Leistungsentzuges bei wiederholter Ablehnung von Jobangeboten. Diese Idee der sogenannten Totalsanktionen sorgt für Kontroversen, da sie als potenzieller Verstoß gegen die Grundrechte angesehen wird. Wie der Merkur berichtet, hat das Bundesverfassungsgericht bereits 2019 entschieden, dass Totalsanktionen mit dem menschenwürdigen Existenzminimum unvereinbar sind.

Das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 stellt klare Anforderungen an staatliche Grundsicherungsleistungen. Diese basieren auf dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, das in Artikel 1 und Artikel 20 des Grundgesetzes verankert ist. Hierbei wird insbesondere betont, dass auch Menschen, die als „unwürdig“ angesehenes Verhalten zeigen, Anspruch auf diese grundlegenden Sicherheiten haben. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, existenzsichernde Leistungen an nachweisbare Bedürftigkeit zu knüpfen, allerdings muss die Verhältnismäßigkeit von Sanktionen gewahrt bleiben, um außergewöhnliche Härten zu vermeiden. Sanktionen, die zu einer drastischen Minderung der Lebensgrundlage führen, unterliegen strengen Anforderungen. Dies fordert nicht nur die rechtliche Überprüfung der bestehenden Regelungen, sondern auch eine grundlegende Neuregelung durch den Gesetzgeber.

Sanktionen im Wandel

Die Grundsicherung, die früher unter dem Namen „Hartz IV“ bekannt war, wird heute als „Bürgergeld“ bezeichnet und soll Haushalte unterstützen, die ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig bestreiten können. Dieses System umfasst finanzielle Unterstützung sowie Beratungs- und Eingliederungsleistungen. Damit die Leistungsbeziehenden nicht mit Sanktionen rechnen müssen, sind sie verpflichtet, aktiv an ihrer Integration in den Arbeitsmarkt mitzuwirken. Der Bundeszentrale für politische Bildung thematisiert das Spannungsfeld zwischen der Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebens und der Durchsetzung dieser Mitwirkungspflichten. Insbesondere nach dem erwähnten BVerfG-Urteil vom 5. November 2019 ist die Diskussion über Sinn und Nutzen von Sanktionen weiter angestoßen worden.

Die Reformen von 2023 hatten bereits einige Sanktionsregeln entschärft, aber derzeit stehen mögliche Verschärfungen im Raum, insbesondere angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage. Vor den Reformen 2023 umfassten die Sanktionsmechanismen bei Meldeversäumnissen und Pflichtverletzungen teils drastische Kürzungen. Beispielsweise wurde bei der ersten Pflichtverletzung eine Minderung um 30% des Regelsatzes verhängt, während bei einer dritten wiederholten Pflichtverletzung der vollständige Entzug der Leistungen möglich war. Aktuell gelten mildernde Übergangsregelungen, die jedoch ab Januar 2023 neue Minderungsstufen beinhalten: 10% für einen Monat, 20% für zwei Monate sowie 30% für drei Monate bei weiteren Pflichtverletzungen.

Statistische Einblicke und Ausblick

Die Diskussion wird zusätzlich durch neue Statistiken zur Sanktionsverlaufsquote angeregt. So lag diese 2023 bei 2,6% und im Juni 2024 sogar bei nur 0,7%. Ein erheblicher Anteil der Sanktionen, etwa 88%, betrifft Meldeversäumnisse. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Sanktionen zwar die Beschäftigungsaufnahme fördern können, jedoch auch negative Auswirkungen auf die Beschäftigungsqualität sowie psychische Belastungen und finanzielle Schwierigkeiten mit sich bringen. Angesichts dieser Erkenntnisse besteht die Notwendigkeit, die Sanktionsregelungen ausgewogen zu gestalten, um Anreize zu schaffen, während die Lebensbedingungen nicht unangemessen eingeschränkt werden.

Die Entwicklung zeigt, dass weiterhin sowohl die politische Diskussion als auch rechtliche Grundsatzfragen die Schaffung gerechter und effektiver Regelungen für Erwerbslose und Menschen in Grundsicherung definieren werden. Die Positionen innerhalb der politischen Landschaft variieren stark, was klar auf die komplexe Natur dieser Materie hinweist.

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Vorfall Gesetzgebung
Ort Merkur, Deutschland
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