Ikea zahlt Millionen für SED-Opfer: Ein Schatten der Vergangenheit

Cottbus, Deutschland - Die Zwangsarbeit von politischen Häftlingen in der DDR wirft einen langen Schatten auf die Geschichte deutscher Unternehmen. André Wagenzik ist ein Überlebender dieser düsteren Praktiken, der 1984 ein Scharnier bei Ikea entdeckte, das er als Häftling unter Zwang gefertigt hatte. Er saß im Gefängnis, weil er verdächtigt wurde, die Republik zu verlassen, und wurde wegen dieses Verdachts von der Stasi verhaftet. Schätzungen zufolge waren zwischen 180.000 und 350.000 Menschen in DDR-Gefängnissen als politische Häftlinge inhaftiert und mussten Zwangsarbeit leisten. Diese Zwangsarbeit profitierte nicht nur die DDR, sondern auch westliche Unternehmen, darunter Ikea, das diese Praktiken mittlerweile anerkennt.

Wagenzik, selbst verurteilt zu zehn Monaten Haft, arbeitete in einem volkseigenen Betrieb (MeWa), wo er Möbelkleinteile für Ikea herstellen musste. Unter extrem harten Bedingungen erlebte er häufige Verletzungen und Misshandlungen durch die Wärter. Erst nach seiner Freilassung stellte Wagenzik die Verbindung zwischen seiner Vergangenheit und dem Ikea-Produkt her. 2012 kam das Unternehmen nicht umhin anzuerkennen, dass politische Häftlinge unter Zwang Möbel für sie hergestellt hatten.

Ikea und der Härtefallfonds

Um der Verantwortung gerecht zu werden, hat der Bundestag im Januar 2025 die Einrichtung eines bundesweiten Härtefallfonds für die Opfer der SED-Diktatur beschlossen. Ikea, das als einziges Unternehmen seine Verstrickung in die DDR-Zwangsarbeit anerkennt, hat zugesagt, sechs Millionen Euro in diesen Fonds einzuzahlen. Diese Initiative wurde von der „Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft“ (UOKG) und der SED-Opferbeauftragten Evelyn Zupke angestoßen. Zupke erklärte, dass kein Unternehmen das Leid der Opfer ungeschehen machen könnte, aber es sei möglich, Unterstützung anzubieten.

Dieter Dombrowski, ein weiterer politischer Häftling, setzt sich entschieden für die Anerkennung der Verstrickung weiterer westdeutscher Firmen ein. Dombrowski, der ab 1974 im Stasi-Gefängnis in Cottbus einsaß und gezwungen wurde, Kameragehäuse für den volkseigenen Betrieb Pentacon herzustellen, fordert die moralische Verantwortung der Unternehmen. Er sieht den Ikea-Härtefallfonds als Schritt in die richtige Richtung, jedoch nicht als Abschluss seines Engagements. Insgesamt arbeiteten schätzungsweise 40.000 Häftlinge in DDR-Gefängnissen für westdeutsche Firmen, darunter auch Unternehmen, die nach ihrer Haftentlassung von den Häftlingen kontaktiert wurden.

Die Forderung nach mehr Aufklärung

Dombrowski lobt die Vereinbarung mit Ikea und hofft, dass andere Firmen wie Aldi dem Beispiel folgen werden. Aldi Süd und Aldi Nord hingegen zeigen sich weniger offen für Aufklärung und Dialog. Laut Dombrowski ist die häufigste Begründung der Unternehmen für ihre Untätigkeit die Unkenntnis über die Herkunft der Produkte, was er für unglaubwürdig hält. Der ehemalige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, kritisierte die Haltung der Unternehmen als moralisch fragwürdig und betonte die Notwendigkeit, den Opfern gerecht zu werden.

Um das Bewusstsein für diese Thematik zu schärfen, hat Wagenzik ein Fotoprojekt ins Leben gerufen, das SED-Opfer porträtiert. Diese Fotografien werden bis zum 30. April im Bundestag zu sehen sein und sollen die Geschichten der Menschen, die unter dem Regime litten, sichtbar machen. Es bleibt abzuwarten, ob die Initiative für den Härtefallfonds und die damit verbundenen Diskussionen zu einer breiteren Aufarbeitung der Vergangenheit führen werden.

Für weitere Informationen zu diesen Themen lesen Sie die Artikel von rbb24, taz und MDR.

Details
Vorfall Zwangsarbeit
Ort Cottbus, Deutschland
Schaden in € 6000000
Quellen