Leseforschung in Greifswald: Mythos oder Wissenschaft?

Greifswald, Deutschland - Dr. Elias Kreuzmair, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Neuere deutsche Literatur und Literaturtheorie am Institut für Deutsche Philologie, hat eine Projektförderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für sein Vorhaben „Lesen schreiben. Poetologien des Wissens über Lektüre“ erhalten. Dieses innovative Projekt, welches das Lesen aus einer literaturwissenschaftlichen Sicht beleuchtet, bietet neue Einblicke in die Rolle des Lesens in der menschlichen Identität.
Kreuzmair plant, Sachtexte einer detaillierten literaturwissenschaftlichen Analyse zu unterziehen. Dabei wird er zentrale Elemente wie Erzählstrukturen, Metaphern und Leseszenen untersuchen. Der Wissenschaftler verwendet etablierte Methoden der Wissensgeschichte und Literaturwissenschaft, um ein tiefgehendes Verständnis der literarischen Praktiken zu entwickeln. Das Korpus seines Projekts umfasst eine Vielzahl von Texten, darunter frühneuzeitliche Leselehren, lesekritische Diskurse der letzten 200 Jahre, sowie wissenschaftliche Publikationen über das Lesen, die in den letzten hundert Jahren veröffentlicht wurden.
Die Rolle des Lesens in der Geschichte
Das Projekt von Dr. Kreuzmair reichert das bestehende Wissen über Literatur und Lesepraktiken an. Die Professionalisierung der Literaturwissenschaft besitzt historische Wurzeln, die bis in die Antike zurückreichen. Bibliotheken wie die in Alexandria und Pergamon sammelten und verzeichneten Texte, um deren Überlieferungsgeschichte zu untersuchen. Diese Entwicklungen führten zu Verständniskrisen, die unter anderem Platon und Aristoteles dazu anregten, über Dichtkunst und deren Verständnis nachzudenken. Ebenfalls dokumentierte die Literaturwissenschaft im 17. und 18. Jahrhundert eine intensivierte Aufmerksamkeit für literarische Texte, die sich im Laufe der Zeit weiter verfeinerte und professionalisierte.
Im 19. Jahrhundert, mit der Entstehung der modernen Forschungsuniversität, bekam der literaturkritische Umgang mit Texten eine neue Qualität. Wilhelm von Humboldt trug entscheidend zur organisatorischen und inhaltlichen Neuausrichtung der universitär gebundenen Wissenskultur bei. Trotz dieser Fortschritte zeigt sich, dass wissenschaftliche Bearbeitungsweisen für Literatur stark von der Verfügbarkeit von Ressourcen und öffentlicher Akzeptanz abhängen.
Literaturkritik und moderne Entwicklungen
Die Entwicklung der Literaturkritik ist ein zentraler Aspekt der Literaturwissenschaft, speziell zwischen 1750 und 1950. René Wellek widmete sich in seiner mehrbändigen Arbeit „Geschichte der Literaturkritik“ dieser Thematik. Welleks Werk, oft dem New Criticism zugerechnet, inkludiert nicht nur die Beurteilung von Büchern, sondern auch umfassende Aspekte der Literaturtheorie. Nordeuropäische Literaturkritik findet sich hingegen kaum in seiner Analyse.
Die Ansätze von Dr. Kreuzmair, Wellek und anderen Wissenschaftlern verdeutlichen, dass die Beschäftigung mit der Literaturkritik und den damit verbundenen Theorien und Praktiken einen kontinuierlichen Diskurs anregt, der bis in die Gegenwart reicht. Der Zusammenhang zwischen Lesen, Schreiben und dem kreativen Umgang mit Texten bleibt von zentraler Bedeutung und zeigt, wie sich Identitätskonzeptionen durch literarische Praktiken entwickeln können.
Dr. Kreuzmair kehrte für sein aktuelles Projekt an die Universität Greifswald zurück, wo er sein Vorhaben weiter verfolgen möchte. Er hat erkannt, dass das Lesen eine fundamentale Rolle im Leben der Menschen spielt und sie sich vielfach über diese Fähigkeit definieren. Mit seiner Forschung möchte er nicht nur bestehende Mythen über das Lesen hinterfragen, sondern auch die Verbindung zwischen dem aktiven Lesen und der intellektuellen und emotionalen Entwicklung der Menschen beleuchten.
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Ort | Greifswald, Deutschland |
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