Kölner OB Reker: Familie von Imamoglu fühlt sich im Stich gelassen!
Istanbul, Türkei - Die Familie des inhaftierten Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu, der am 19. März festgenommen wurde, äußert sich enttäuscht über die internationalen Reaktionen auf seine Verhaftung. Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) besuchte Imamoglus Frau Dilek am Montag in Istanbul und stellte fest, dass die Familie sich im Stich gelassen fühlt. Dilek und die Kinder von Imamoglu wirkten während des Besuchs sehr angefasst und erschüttert. Reker, die die Familie bereits durch die Partnerschaft zwischen Köln und Istanbul kannte, wurde jedoch die Genehmigung verwehrt, Imamoglu im Gefängnis zu besuchen.
Imamoglu, der als Präsidentschaftskandidat der größten Oppositionspartei CHP gilt und einen bedeutenden Rivalen von Präsident Recep Tayyip Erdoğan darstellt, sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt. Ihm werden Korruption und Terrorismus vorgeworfen, was zu den größten regierungskritischen Protesten in der Türkei seit Jahren führte. Reker forderte eine schnelle Aufklärung der Vorwürfe und bezeichnete die Haftbedingungen als nicht gerechtfertigt. Sie appellierte an deutsche Politiker, Solidarität mit Imamoglu zu zeigen.
Internationale Reaktionen
Die Bundesregierung hat das Vorgehen der türkischen Führung ebenfalls kritisiert. Regierungssprecher Steffen Hebestreit forderte eine schnelle und transparente Aufklärung der Korruptionsvorwürfe. Die SPD und die Grünen forderten die Freilassung von Imamoglu, wobei Grünen-Co-Chef Felix Banaszak die Festnahme als politisches Manöver von Präsident Erdoğan bezeichnete. Der außenpolitische Sprecher der SPD, Nils Schmid, erkannte die begrenzten Einflussmöglichkeiten Deutschlands auf die Türkei an und betonte die zentrale Rolle des Landes innerhalb der NATO, insbesondere im Kontext von Russland und der Ukraine.
Die verhaftungsbedingten Spannungen könnten auch Auswirkungen auf hochrangige Gespräche zwischen der EU und der Türkei haben, die möglicherweise auf Eis gelegt werden. Die Linke fordert einen Stopp aller Rüstungslieferungen an die Türkei, während der Grüne-Co-Chef Banaszak die Notwendigkeit betont, die Tür für eine demokratische Türkei offen zu halten.
Kritik an der türkischen Justiz
Die internationalen Reaktionen auf die Verhaftung von Imamoglu werfen auch Fragen zur Unabhängigkeit der türkischen Justiz auf. Seit dem Putschversuch 2016 ist die Justiz in der Türkei zunehmend politisiert und personalisiert. Es gibt anhaltende Bedenken, dass die Justiz als Instrument der politischen Machterhaltung dient. Historisch war die Unabhängigkeit der Richter nie gesichert, und Reformversuche zur Pluralisierung der Justiz scheiterten an internen Machtkämpfen. Dieses strukturelle Problem hat zu einer Instrumentalisierung der Justiz für politische Ziele geführt, wobei die Gewaltenteilung praktisch nicht gegeben ist.
Mit dem Inkrafttreten eines Präsidialsystems im April 2017 und der Entlassung von über 4.300 Richtern, die nicht Loyalität zur Regierung zeigten, ist die Möglichkeit einer unabhängigen Justiz in der Türkei weiter eingeschränkt worden. Die aktuellen Geschehnisse rund um Ekrem Imamoglu sind nicht nur ein Zeichen für die tiefen politischen Gräben in der Türkei, sondern auch ein Beispiel für die Schwierigkeiten, die die Zivilgesellschaft und die politische Opposition im Land erleben.
Details | |
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Vorfall | Korruption,Terrorismus |
Ort | Istanbul, Türkei |
Festnahmen | 1 |
Quellen |