Niedersachsen: Unterschrift für Aufenthaltstitel genügt – Was nun?

Lingen, Deutschland - Die niedersächsische Landesregierung hat in einer weitreichenden Entscheidung die persönlichen Gespräche zur Verfassungstreue bei der Beantragung von Aufenthaltstiteln abgeschafft. Ab sofort reicht in vielen Fällen eine Unterschrift auf einem Formular, um einen Aufenthaltstitel nach dem Chancen-Aufenthaltsrecht (§ 104c AufenthG) zu beantragen. Dies wurde durch eine Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des AfD-Abgeordneten Stephan Bothe bekannt.

Im Landkreis Leer sind persönliche Gespräche zur Überprüfung des Bekenntnisses zur Grundordnung eingestellt worden, auf Anweisung des niedersächsischen Innenministeriums. Das Innenministerium argumentiert, dass eine unterschriebene Erklärung ausreichend sei, es sei denn, es bestehen konkrete Zweifel an der Verfassungstreue oder am Verständnis der Inhalte des Formulars. Dieses ist in 34 Sprachen verfügbar, basierend auf Vorgaben des Bundesministeriums des Innern.

Einzelfallprüfungen und Reaktionen

Kritiker, darunter der Bundestagsabgeordnete Stephan Bothe, äußern jedoch Bedenken, dass die neue Regelung die Integrationspolitik schwäche und die Prüfung der Verfassungstreue vernachlässige. Bothe ist der Meinung, dass es problematisch sei, wenn Antragsteller, die seit fünf Jahren in Deutschland leben, kein Deutsch sprechen und dennoch einen Aufenthaltstitel erhalten.

Die Landesregierung verteidigt die Regelung, indem sie erklärt, dass ein aktives Bekenntnis zur Grundordnung weiterhin gefordert sei, jedoch routinemäßige persönliche Befragungen nicht gesetzlich vorgesehen sind. In niedersächsischen Kommunen gibt es unterschiedliche Handhabungen: Während einige persönliche Gespräche durchführen, begnügen sich andere mit einer Unterschrift. Beispielsweise berichtet die Stadt Lingen, dass viele das Formular oft unterschreiben, ohne es wirklich zu verstehen.

Im Landkreis Verden hingegen wird betont, dass ein bloßes Lippenbekenntnis nicht ausreicht und ein Grundwissen über staatsbürgerliche Themen erforderlich ist. Bothe fordert, dass Kommunen verpflichtet werden, persönliche Gespräche mit jedem Antragsteller zu führen, um Missbrauch zu verhindern.

Aufenthaltsrechtliche Situation in Deutschland

Die Situation von Asylberechtigten in Deutschland wird durch verschiedene gesetzliche Regelungen geprägt. Die Anerkennung als Asylberechtigte/r nach Artikel 16a GG führt zu einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 AufenthG, während die Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG eine ähnliche Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 S. 1, Alt 1 AufenthG nach sich zieht. Beide Aufenthaltstitel haben die gleichen Rechtsfolgen.

Eine Aufenthaltserlaubnis wird in der Regel für drei Jahre erteilt, mit der Möglichkeit zur Verlängerung. Sie wird jedoch nicht erteilt, wenn schwerwiegendes Ausweisungsinteresse besteht oder wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung widerruft. Bei einem Widerrufsverfahren prüft das BAMF, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung nicht mehr vorliegen.

Wichtige Kriterien und Verfahren

Für die Erlangung der Flüchtlingseigenschaft müssen Antragsteller nachweisen, dass sie bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wären, was meist durch politische Verfolgung bedingt ist. Relevant sind auch Kriterien wie schwere (nichtpolitische) Straftaten oder die Gefährdung der Sicherheit Deutschlands. Die individuelle Aufenthaltserlaubnis bietet zudem einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt und privilegierten Familiennachzug.

Die Bedingungen für eine spätere Einbürgerung sind ebenfalls klar definiert: Nach acht Jahren rechtmäßigem Aufenthalt kann ein Antrag auf Einbürgerung gestellt werden, wenn unter anderem ein gesicherter Lebensunterhalt existiert und keine strafrechtlichen Verurteilungen vorliegen. Einbürgerungskosten betragen 255 Euro für Erwachsene und 51 Euro für Kinder. Ehegatten und Kinder können mit eingebürgert werden, selbst wenn sie die Aufenthaltszeiten nicht erfüllen.

Die Entwicklungen in Niedersachsen und die damit verbundenen Veränderungen im Aufenthaltsrecht werfen ein Licht auf die komplexen Herausforderungen in der Integrationspolitik und das Asylsystem in Deutschland, das sich stets weiterentwickeln muss. Weitere Informationen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und Prozessen finden Interessierte auf den Webseiten des Freilich Magazins, des NDS Flüchtlingsrats sowie des BAMF.

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Ort Lingen, Deutschland
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