Oswald Spengler: Prophet des Niedergangs oder Denker der Zukunft?

Halle a.d. Saale, Deutschland - Oswald Spengler (1880–1936) wird oft als Prophet des Niedergangs und Vorläufer nationalsozialistischer Weltanschauung betrachtet. Sein Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes“ wurde im April 1917 während des Ersten Weltkriegs abgeschlossen und 1918 veröffentlicht. Der zweite Band folgte 1922. Spengler sah den Verfall als unvermeidlichen Bestandteil eines kulturellen Zyklus und erklärte, dass sowohl „Kultur“ als auch „Zivilisation“ zentrale Begriffe seiner Theorie sind. Während Zivilisation das Reifestadium von Kulturen beschreibt, ist sie für Spengler auch ein Zeichen des Verfalls.

Die Veröffentlichung seines Werkes fiel zusammen mit der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg, die viele Deutsche als Demütigung erlebten. Hinter diesem historischen Kontext folgte eine Suche nach Gründen für diese Katastrophe. Insofern passt Spenglers Argument, dass das Abendland aufgrund seiner kulturellen Entwicklung untergeht, genau in diese Zeit. Das Buch entwickelte sich zum meistgelesenen Sachbuch der Weimarer Republik, insgesamt verkauften sich bis in die 30er-Jahre rund 200.000 Exemplare.

Der Zyklus von Kultur und Zivilisation

Spengler identifizierte vier Phasen jeder Kultur: Frühling, Sommer, Herbst und Winter und betrachtete den Lebensweg von Kulturen als etwa eintausend Jahre lang. Er warnte vor Nihilismus und forderte die Jugend auf, sich für Politik zu erziehen und aktiv zu sein. Er glaubte, dass die Deutschen noch Aufgaben zu bewältigen hätten, darunter die soziale Frage. Der Heimat-Begriff spielt ebenfalls eine wichtige Rolle in Spenglers Theorie, er bleibt jedoch diffus und könnte zur Ausgrenzung von Gruppen verwendet werden.

Der österreichische Philosoph Peter Strasser erläutert, dass die Verortung des Verlustes im heilsgeschichtlichen Schema Spenglers bei vielen Deutschen Resonanz fand. Ein zentraler Aspekt in Spenglers Denken war jedoch auch seine Demokratie- und Revolutionsfeindschaft. Er machte die Novemberrevolution von 1918 für Deutschlands politische Misere verantwortlich und sah in einem Diktator die Lösung für die bestehenden Probleme.

Spenglers Einfluss und Erbe

In seinem Spätwerk versuchte Spengler, den Gegensatz zwischen Hochkulturen und der restlichen Menschheit zu überwinden. Seine Methodik wurde von Wissenschaftlern als dilettantisch kritisiert, jedoch beeindruckte „Der Untergang des Abendlandes“ ein breites Publikum, weil es Daten aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen verarbeitete. Es wurde zum Ausgangspunkt für Diskussionen über den Niedergang der westlichen Werte und der Demokratie.

Strasser beobachtet eine Renaissance von Spenglers Ideen in der Neuen Rechten, die er als bedenklich erachtet. Für Spengler ist der Untergang des Abendlands notwendig, um Platz für den „Cäsarismus“ zu schaffen, den er als zukünftige Herrschaftsform ansah. Historische Abläufe geschähen nur innerhalb von Hochkulturen, und Spengler prognostizierte das Aufkommen einer russisch-asiatischen Hochkultur nach dem Verlauf seines Untergangs.

In den letzten Jahrzehnten wurde Spengler in der Debatte über das „Ende der Geschichte“ rezipiert und beeinflusste unter anderem Samuel P. Huntingtons „The Clash of Civilizations“. Sein Werk gilt als eines der erfolgreichsten und umstrittensten seit 1918 und bietet bis heute Denkanstöße über die Entwicklung von Kulturen und deren Schicksale.

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Ort Halle a.d. Saale, Deutschland
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