Auch der Profifußball kämpft ums Überleben

DOSB-Präsident Alfons Hörmann versteht die Kritik an der besonderen Rolle des Profifußballs, verleiht ihr jedoch eine „gewisse sportspezifische systemische Relevanz“.
Zehntausende von Jobs hängen davon ab, ob die Vereine spielen können „, sagte der Leiter des Deutschen Olympischen Sportbundes in einem Interview mit der deutschen Presseagentur.“ Wenn einzelne Vereine ins Stocken geraten, besteht die Gefahr, dass die gesamte Bundesliga stolpert. „“
Die besondere Rolle des Profifußballs bei der Pandemie spricht auch viele im organisierten Sport nicht an. Es steht seit einem Jahr still.
Alfons Hörmann: Insgesamt ist es verständlich, dass die besondere Rolle, die der Profifußball und insbesondere die Bundesliga spielen und die natürlich auch internationale Einsätze mit sich bringt, in unserer Sportbasis zunehmend in Frage gestellt wird. Aber Sie müssen das Ganze in den Gesamtzusammenhang stellen, wie es die Bundesregierung getan hat, die in vielen anderen Bereichen eher restriktiv handelt. Sie hat die besondere wirtschaftliche Bedeutung dieser Ligaoperation aus gutem Grund erkannt und anerkannt.
Warum ist die besondere Rolle des Profifußballs gerechtfertigt?
Hörmann: Neben dem, was die Bundesliga als Sport auszeichnet, sind die Vereine mit ihren Verkäufen auch klassische Handelsunternehmen mit den Spielern als wichtigsten Mitarbeitern und Hauptakteuren. Am Ende kommt es auf wirtschaftliche Zusammenhänge an, die sehr bedeutende Konsequenzen haben. Geschäftsführer Christian Seifert hat für die Deutsche Fußballliga innerhalb von zwei Jahren nach der gesamten Pandemie einen Umsatzverlust von zwei Milliarden Euro prognostiziert. Daran können Sie erkennen, welche Verluste die Liga trotz der Geister-Spiele erleiden wird. Deshalb tun die Präsidenten und Vereinsvorstände nichts anderes als ihre Pflicht, indem sie für jedes Spiel kämpfen und so die Lebensfähigkeit der Vereine sicherstellen und alles tun, um das Spiel mit professionellen Hygienekonzepten am Laufen zu halten.
Trotz Reisebeschränkungen gehören dazu auch Europapokalspiele von RB Leipzig oder Borussia Mönchengladbach, die ins Ausland verlegt wurden.
Hörmann: Das weckt verständlicherweise Abneigungen, aber letztendlich kommt es auf Lizenz- und Fernsehrechte und die Aufrechterhaltung professioneller Strukturen an. Die Liga hat zumindest in bestimmten Bereichen eine gewisse sportspezifische Systemrelevanz. Letztendlich hängen Zehntausende von Jobs davon ab, ob Vereine spielen können oder nicht. Wenn einzelne Vereine ins Stocken geraten, besteht die Gefahr, dass die gesamte Bundesliga stolpert. Sie möchten nicht einmal darüber nachdenken, welche Art von Dominoeffekt dies haben könnte. Das würde auch alle nachfolgenden Ligen schwächen, wie es der Fall wäre, wenn die Olympischen Spiele abgesagt würden. Dies könnte sich indirekt bis zu den regionalen Grundlagen der verschiedenen Sportarten auswirken.
Sie sehen Profifußball als systemrelevant an. Provoziert das nicht Widersprüche aus anderen Bereichen der Gesellschaft und Industrie?
Hörmann: Auch der Fußball kämpft ums Überleben. Daher handelt es sich ausdrücklich um eine „sportspezifische“ Relevanz. Dies kann natürlich nicht mit der herausragenden Bedeutung systemrelevanter Berufe wie Krankenpflege und öffentlicher Sicherheit verglichen werden, die völlig klar ist. Es ist jedoch eine sportliche Systemrelevanz. Dies gilt für den Profifußball, aber auch für den gesamten Spitzensport. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Olympischen und Paralympischen Spiele auf die Athleten im Team D, von denen die meisten keine Millionäre sind und mit solchen Ereignissen verbunden sind, werden einen großen Einfluss auf das zukünftige Schicksal dieser Athleten und auf die Arbeitsplätze zu Hunderten haben von Tausenden auf der ganzen Welt. Der Fortbestand unseres vernetzten Sportsystems hängt vielerorts davon ab.
Trotzdem: Es ist schwierig, die besondere Rolle des Profifußballs bei Spielern zu akzeptieren, die verrückte Gehälter erhalten!
Hörmann: Das verstehe ich auch voll und ganz. Dies wird auch in Sport Deutschland massiv kritisiert. Insbesondere im professionellen Bereich wird die Krise hoffentlich dazu führen, dass an einigen Stellen gründlich nachgedacht werden muss. Nicht ohne Grund hat die DFL eine Task Force zu diesem Thema eingerichtet. Es gibt jetzt einen wertvollen Katalog von Empfehlungen im Sinne von: An vielen Stellen muss sich etwas ändern. Für einige Profifußballer ist mehr Zurückhaltung und Demut gut. Das ist ein wichtiger Teil der Wahrheit während und nach der Krise.
In der Pandemie sind die Spiele der Bundesliga oder der Europapokalwettbewerbe auch in einer trostlosen Zeit eine Ablenkung.
Hörmann: Man muss sich nur die Bewertungen der Fernsehsender für die zahlreichen Sendungen der verschiedenen Sportarten ansehen. Es gibt ausgezeichnete Werte oder in einigen Fällen Aufzeichnungen, die derzeit erreicht werden. Für viele Menschen in unserem Land sind die Vielfalt auf dem Bildschirm und das aufregende Live-Ereignis des Sports zumindest eine gewisse emotionale Kompensation und eine wichtige Kompensation für viel Langeweile im Alltag. Sport als Seelentröster sozusagen.
Der SPD-Politiker Karl Lauterbach kritisiert seit Monaten den Profifußball, die Corona-Konzepte oder Auslandsreisen. Bayern Münchens Trainer Hansi Flick war das zu viel und er war stark dagegen. Wie bewerten Sie diesen Streit?
Hörmann: Diese und andere Streitigkeiten zeigen eindrucksvoll, dass alle Beteiligten jetzt nervös sind. Aber es geht weit über dieses Thema hinaus und zeigt eher, dass die existenziellen Ängste größer werden und der Ton rauer wird. Die seit langem erkennbare Partnerschaft „wir“ ist vielerorts zu einem fernen „sie“ geworden. Deshalb ist es wichtig, die Nerven zu behalten und weiterhin nach gemeinsamen Lösungen zu suchen, die auf Partnerschaft und Solidarität beruhen.
Der organisierte Sport steht seit einem Jahr still und die größte Bewegung in Deutschland mit 28 Millionen Menschen steht still. Müssen Sie Ihre Stimme nicht lauter erheben?
Hörmann: Es ist spürbar an der Zeit, dass sich etwas ändert. Sport in ganz Deutschland ist bereit, ein wichtiger Bestandteil der Lösung zu werden. Wir hoffen daher, dass das Thema bald auf der Tagesordnung der Runde mit dem Kanzler und dem Premierminister steht. In der jüngsten Entscheidung wurde der Sport nach vielen Monaten endlich wieder benannt. Und auch in den letzten Runden der Konferenz der Sportminister war deutlich zu hören, dass sich das Missfallen über die nicht vorhandenen Aussichten langsam ausbreitet, weil die vielfältigen Möglichkeiten des Sports verschwendet werden.
Was sind die Konsequenzen? Wie ernst ist die Situation des Sports?
Hörmann: Neben der Unbeweglichkeit führt die aktuelle Situation zu Entmutigung und Lustlosigkeit, und manche empfinden immer mehr einen Mangel an Perspektiven. Viele von ihnen haben ihre physische und psychische Stärke aufgebraucht. Wir sind besonders besorgt um die Kinder und Jugendlichen, aber mittlerweile mindestens genauso um die älteren und die ältesten Menschen. Für sie geht es beim Sport nicht nur um freudige Dinge oder emotionale Momente. Sport hilft ihnen, mobil zu bleiben und auf einzigartige Weise Teil der Gesellschaft zu sein. Sport ist daher ein wichtiges Element für Senioren, um ein lebenswertes Leben zu führen. Die aktuellen Entwicklungen nehmen sowohl bei Kindern als auch bei älteren Menschen alarmierende Ausmaße an.
Die Konferenz der Sportminister verabschiedete am Montag einen sechsstufigen Plan für die Rückkehr des Sports. Ein guter Schachzug?
Hörmann: Ja, denn mit dieser einstimmigen Entscheidung hat die Konferenz der Sportminister die schrittweise Rückkehr zur Arbeit auf der Grundlage eines sechsstufigen Rückkehrmodells zusätzlich zu den DOSB-Leitplanken vorbereitet, zunächst mit kleineren Gruppen und nur für Aktivitäten im Freien. Danach sollte es zunehmend und schrittweise in den Normalbetrieb gehen. Diese Entschließung wird an die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten weitergeleitet, um sie so bald wie möglich umzusetzen, sofern die Pandemie und der Inzidenztrend dies zulassen. Bei dieser allmählichen Rückkehr des Sports sollte besonderes Augenmerk auf die günstige Behandlung von Kindern und Jugendlichen gelegt werden. Das stimmt auch mit den Interessen von Sport Deutschland überein. Ergänzt wird dies durch eine nationale Kampagne von Sport und Politik, um die existenziell wichtige Mobilisierung der Mitglieder für den Vereinssport massiv zu unterstützen.
Gibt es jetzt Hoffnung, dass die SMK-Entscheidung das Thema der Kanzlerrunde am 3. März sein wird?
Hörmann: Zumindest ist dies das erklärte Ziel und der Prozess wurde genauso aufgebaut. In meiner siebenjährigen Amtszeit habe ich das SMK innerhalb von zwei Wochen noch nie dreimal gesehen. Dieser kurze Zyklus war darauf ausgerichtet, dem Kanzler und dem Ministerpräsidenten rechtzeitig Vorschläge unterbreiten zu können. Was Ende März folgt, wird sich zeigen und wir hoffen sehr, dass es endlich Perspektiven für den Sport gibt.
ÜBER DIE PERSON: Der 60-jährige Wirtschaftsmanager Alfons Hörmann ist seit 2013 Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Davor war er von 2005 bis 2013 Präsident des Deutschen Skiverbandes.
© dpa-infocom, dpa: 210222-99-549566 / 3
dpa
Details | |
---|---|
Quellen |