Corona Lockdown-Ende? Welche Ausstiegsstrategien sind sinnvoll?

Berlin. Wer sehnt sich nicht nach dem Ende der Sperre? Eines ist jedoch bereits klar: Es wird nicht so einfach wie im letzten Frühjahr. Einfach wegen der ansteckenden Virusvarianten, die auch in Deutschland unterwegs sind. Und weil zu wenige Menschen geimpft sind. Wie kann „geschickt lockern“ unter den neuen Bedingungen funktionieren? Viele Wissenschaftler sind ebenfalls besorgt. Antworten auf Fragen zu Sperrung und Lockerung.
Was will die Bevölkerung?
Eine Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich eine langfristige, vorhersehbare und klare Pandemiestrategie, sagt Cornelia Betsch, Expertin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt. Sie erforscht die psychologische Situation in ihrer eigenen Studie (Cosmo). Dies zeigt, dass die Mehrheit der Befragten eine schnellere Eröffnung erwartet, wenn gemeinsam niedrige Fallzahlen erreicht werden. Es besteht weniger Wunsch nach einem festen Termin. Eine Mehrheit der Befragten geht auch davon aus, dass die Lockerung noch einige Wochen dauern könnte. Aber es gibt Alarmsignale: Laut der Studie fühlen sich junge Menschen durch die Einschränkungen besonders belastet. Und es gibt weniger Schutzverhalten, das mit Pandemiemüdigkeit verbunden ist.
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Wachsende Unzufriedenheit mit dem Corona-Krisenmanagement
In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov bewerten nur 50 Prozent der Befragten staatliche Maßnahmen eher positiv. © dpa
Warum sollte es nicht schnell gelockert werden?
50 registrierte Infektionen pro 100.000 Menschen innerhalb einer Woche. In der Politik war dies lange Zeit die Faustregel, um über eine Lockerung nachzudenken. Wissenschaftler halten es für sinnvoller, zu warten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach am Freitag ebenfalls von „weit unter 50“. Die Physikerin Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation fördert wie ihre Kollegen an anderen Forschungsinstituten die Geduld.
„Es ist realistisch, bei dieser Sperrung auf den Faktor 10 zu sinken“, sagt sie. „Es lohnt sich zu warten, um unseren bisherigen Erfolg nicht zu verspielen. Wenn wir ungefähr 10 sind, wird alles einfacher und wir haben alle die Freiheit, die wir letzten Sommer hatten. „Sich jetzt zu lockern ist ein extrem hohes Risiko, sagt sie und bezieht sich auf die Virusvarianten. Steigende Vorfälle waren ohne weitere Sperren nur schwer auf einem höheren Niveau zu erfassen.
Wie können Sie Menschen motivieren, im Lockdown durchzuhalten?
Motivation: „Du bist großartig! Sie haben jetzt zehn weniger! Covid-Arzt Michael Hallek, Klinikdirektor an der Universität zu Köln, hält angesichts sinkender Inzidenzzahlen ein großes Lob für angebracht. „Was wir derzeit haben, ist die tägliche Katastrophenkommunikation. Das macht die Leute müde “, sagt er. Hallek, in dem täglich Koronapatienten leiden, ist Teil der Initiative „No Covid“. Dies möchte die Inzidenzen in einer gemeinsamen europäischen Anstrengung auf Null senken. Mit einheitlichen und festen Regeln, die jeder verstehen kann – immer verbunden mit den lokalen Infektionsraten und unmittelbaren Einschränkungen in den betroffenen Regionen.
Sind Schritt-für-Schritt-Pläne nützlich?
Bundesländer wie Niedersachsen haben bereits Ideen vorgelegt, wie die Inzidenzwerte zur systematischen Rechtfertigung regionaler Lockerungen herangezogen werden können. Zwischen 10 und 25 ist viel erlaubt, von 200 gar nichts. Dazwischen gibt es je nach Level Reliefs. Forscher Priesemann findet das hilfreich. „Man muss sich nur bewusst sein, dass mit zunehmender Anzahl von Fällen eine konsequente Eindämmung erforderlich ist: eine schnelle und sehr konsequente Sperrung von zwei bis drei Wochen.“ Eine kurze Verriegelung kann gut gepuffert und dann frühzeitig wieder gelöst werden. „Ansonsten endet es wie die Inkonsistenz im November – einschließlich des Jojo-Effekts und der totalen Müdigkeit durch monatelange Maßnahmen.“
Die Experten der „Corona Strategy Working Group“ um den Epidemiologen Prof. Klaus Stöhr sprechen sich für mehr Interdisziplinarität aus. Bei der Erörterung von Lockdown-Strategien und Schritt-für-Schritt-Plänen sollten Wissenschaftler aus sehr unterschiedlichen Forschungsbereichen zu Wort kommen. Gesundheitsökonomen, Soziologen, Psychologen, Infektiologen, Ethiker und andere Wissenschaftler sollten ebenfalls berücksichtigt werden, sagte Stöhr gegenüber dem „Spiegel“. Die Forscher seiner Arbeitsgruppe befürworteten einen „elastischen, transparenten Schritt-für-Schritt-Plan“, der Deutschland „ohne ständige neue grundlegende Diskussionen“ ans Ende der Pandemie bringen würde.
Kindertagesstätten, Schulen, Restaurants: Was ist bei der Eröffnung zu beachten?
Klug lockern: Ein Schritt allein ist nicht alles. Für Forscher ist es wichtig, die eingestellten Grenzwerte so sorgfältig wie möglich zu reduzieren. „Es ist am besten, nicht alles gleichzeitig zu machen“, rät Priesemann. Es bedeutet zu denken: Was ist mir am wichtigsten? „Ein gutes Argument ist zu sagen: Wir hatten jetzt viel Stress in Schulen, Kindertagesstätten, Einzelhändlern und Restaurants. Wir hatten jedoch nur sehr wenige Verpflichtungen in Bezug auf Arbeitgeber und Home Offices. Vielleicht kannst du das tauschen. „Sie sieht den Arbeitsplatz kaum in Schritt-für-Schritt-Plänen. Bei der Eröffnung haben die Politiker bereits ein Ziel vor Augen: zuerst Schulen und Kindertagesstätten, sagte Spahn am Freitag.
Im Falle einer Lockerung können die Forscher am besten zwischen den einzelnen Bereichen unterscheiden: Beispielsweise ist die Verpflegung im Freien weniger gefährlich als das Sitzen in Restaurants mit Blick auf Ansteckung. Aber Bars haben im Allgemeinen ein Problem für sie: Wer dorthin geht, wählt im Gegensatz zu zufälligen Begegnungen im Supermarkt normalerweise sozial mit wem. In festen Gruppen wie Familie oder Freunden sind unentdeckte Infektionen jedoch eher auf die Nähe zurückzuführen. Der Physiker Eberhard Bodenschatz vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation hat berechnet, dass eine solche Gruppe, wenn sie in einem Restaurant an einem Tisch sitzt, unwissentlich zu einer Art Superspreizer werden kann. „Deshalb gibt es nur eine kleine Anzahl von Menschen in Restaurants“, sagt er. Ähnliches gilt für Schulen: Wechselunterricht in kleinen Gruppen verringert das Infektionsrisiko.
Was will die Initiative „No Covid“ mit ihrer Wettbewerbsidee erreichen?
Wettbewerb: Wer wird die grüne Zone? Für die Initiative „No Covid“ kann die Eindämmung von Pandemien trotz des Ernstes der Situation auch spielerisch angegangen werden. Wer zum Beispiel von den ewigen Konkurrenten Köln und Düsseldorf hält die Anzahl der Infektionen mit größerer Wahrscheinlichkeit so erfolgreich in Schach wie Rostock? Als Belohnung gab es immer mehr Freiheit für alle in der Region. Auch hier die Voraussetzung: Die Sperrung bleibt noch einige Wochen bestehen. Später dürfen Besucher aus roten Zonen mit hoher Inzidenz nach den Ideen der Initiative nur aus gutem Grund zu den fast kovidfreien grünen Inseln gehen. Länder wie Australien und Finnland haben dieses Prinzip erfolgreich umgesetzt, berichtet Hallek. Mit Überzeugung statt Zwang. Deutsche Politiker zögerten, solche Ideen zu entwickeln. Das Motto gilt aber auch für sie: So weit unten mit den Vorfällen wie möglich.
Sind zugänglichere Koronatests nützlich?
Um ein besseres Gefühl für das Infektionsrisiko zu bekommen, befürworten einige Wissenschaftler besser zugängliche Koronatests. Er befürwortet Tests mit sehr niedrigen Schwellenwerten, sagt Florian Klein, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Köln. Denn Sie müssen berücksichtigen, dass die Symptome einer beginnenden Koronainfektion sehr unspezifisch sind. Mit der sehr sensitiven PCR („Pool Testing“) können auch Proben von mehreren Personen gleichzeitig getestet werden. Wenn das Ergebnis negativ ist, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass alle Patienten negativ sind. Wenn es positiv ist, kann es erneut getestet werden.
Es sollte tatsächlich viel regelmäßiger – idealerweise repräsentativ – in der Bevölkerung getestet werden, auch im Hinblick auf Kurse ohne Symptome und zum Nachweis von Mutationen, fügt Tobias Kurth, Direktor des Instituts für öffentliche Gesundheit der Charité, hinzu. Dann können Sie früh reagieren. Der Forscher Priesemann glaubt auch, dass Schnelltests, die nicht älter als 24 Stunden sind, überall dort ratsam sind, wo sich Gruppen treffen. Sie erlaubten jedoch nicht automatisch hohe Fallzahlen. „Der größte Vorteil von Schnelltests liegt in der geringen Inzidenz. Dann sind die Lücken in den Sicherheitskonzepten, die Sie immer haben, weniger problematisch. „“
Wie kann Technologie helfen, Korona zu verhindern?
Für Unternehmen könnten Apps das Infektionsrisiko recht gut berechnen, sagt der Forscher Bodenschatz. Welche Raumhöhe, welche Volumina, welcher Luftaustausch? Dann berechnet eine App, wie viele Personen gleichzeitig zugelassen sind. Schulen und Kindertagesstätten können im Sommer von Fans in den Fenstern unterstützt werden, die nicht teuer sein müssen. Denn das regelmäßige Öffnen der Fenster allein reicht nicht aus, wenn die Außentemperaturen über der Raumtemperatur liegen. Manfred Schmidt, Politikwissenschaftler an der Universität Heidelberg, sieht Länder wie Japan oder Südkorea mit ihrer digitalen Verfolgung von Kontakten als erfolgreichere Covid-Kämpfer als Europa. Dies ist unter anderem auf ein anderes Verständnis des Datenschutzes zurückzuführen.
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