Premiere im Agra-Messepark: Heiner Müllers Auszug ins Theaterlicht

Agra-Messepark, Leipzig, Deutschland - Das Schauspiel Leipzig hat am 27. April 2025 seine neue Ausweichspielstätte mit einem eindrucksvollen Theaterspektakel eröffnet. Im ehemaligen Agra-Messepark, der historisch für landwirtschaftliche Ausstellungen genutzt wurde, wird Heiner Müllers kontroverses Stück „Die Umsiedlerin oder Das Leben auf dem Lande“ aufgeführt. Dieses Werk, das einst dazu führte, dass Müller ein Berufsverbot auferlegt bekam, findet im neu gestalteten Kultursaal statt, der mit landwirtschaftlichen Maschinen dekoriert ist. Die große Bühne des Schauspiel Leipzig wird derzeit modernisiert und ist deshalb nicht bespielbar.

Bei der Premiere des Stücks reagierte das Publikum durchweg positiv. Die Aufführung thematisiert die Kollektivierung der Landwirtschaft in der DDR, und zeigt die Hauptfigur Niet, eine resolute Umsiedlerin. Satirische Verse durchziehen das Werk, die die Staatsmacht kritisch beleuchten. Ein prägnantes Beispiel ist: „Sind wir im Himmel oder in der Hölle? – Fürs Erste sind wir in der LPG.“

Gegensätzliche Themen in der neuen Spielstätte

Ergänzend zur Aufführung von Müllers „Die Umsiedlerin“ wird die Uraufführung von Nino Haratischwili unter dem Titel „Kein Schicksal, Klytämnestra“ präsentiert. Diese Inszenierung wird als antiker Politthriller inszeniert und behandelt Themen wie Geschlechter- und Generationenverhältnisse, Krieg und Frieden. In der Geschichte plant Agamemnon, verkörpert von Wenzel Banneyer, einen Krieg, während Klytämnestra, gespielt von Bettina Schmidt, versucht, den Staat zu modernisieren und übernimmt dessen Verwaltung.

Das Premierenpublikum erlebt eine intensive Atmosphäre, während die Figuren mit den Herausforderungen ihrer Zeit konfrontiert werden. Diese Inszenierung steht in starkem Kontrast zu Müllers Stück, das die politischen Umwälzungen der DDR kritisch hinterfragt und dabei auf die Relevanz von Macht und Kontrolle eingeht.

Geschichtlicher Kontext

Müllers „Die Umsiedlerin“ wurde ursprünglich am 11. September 1961 uraufgeführt und sorgte sofort für Aufsehen und Widerstand. Aufgrund der Brisanz des Themenfeldes waren Vertreter der FDJ und SED während der Generalprobe anwesend. Die Einhelligkeit unter diesen Vertretern führte zu einem Verbot des Stücks, obwohl die Uraufführung nicht vom Spielplan genommen wurde, um internationalen Gästen die Aufführung nicht zu entziehen. An diesem Abend forderte der Zentralrat der FDJ die Zuschauer zudem auf, lautstark zu protestieren; jedoch konnten die Proteste nicht die Reaktionen des Publikums steuern, und einige linientreue Zuschauer lachten über die spöttischen Darbietungen auf der Bühne.

In seiner Kritik an der Staatsmacht und der Situation der Landwirtschaft in der DDR bleibt Müllers Stück auch heute, über 60 Jahre nach seiner Uraufführung, relevant und aktualisiert die Debatten über Freiheit und Kontrolle im kulturellen Kontext. Die positive Reaktion des Publikums in der neuen Spielstätte lässt darauf schließen, dass die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit weiterhin von großer Bedeutung ist.

Details
Vorfall Sonstiges
Ort Agra-Messepark, Leipzig, Deutschland
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