Polygamie in Russland: Umstrittene Fatwa zurückgezogen!

Moskau, Russland - In den letzten Wochen hat die Geistliche Verwaltung der Muslime in Russland eine umstrittene Fatwa zurückgezogen, die Polygamie unter bestimmten Bedingungen erlaubte. Diese Entscheidung wurde in Reaktion auf extensive Kritik und eine Intervention der russischen Staatsanwaltschaft getroffen. Der Moskauer Mufti Ildar Aljautdinow hatte ursprünglich erklärt, dass muslimische Männer bis zu vier religiöse Ehen eingehen dürften, sofern sie jeder Frau gleichwertige finanzielle Unterstützung, eigenen Wohnraum und ausreichend Zeit bieten könnten. Die Fatwa stellte jedoch klar, dass religiöse Ehen im staatlichen Recht keine Rechtsfolgen hätten, wodurch sie nicht gegen die bestehenden familienrechtlichen Bestimmungen verstieß. Dennoch stieß die Regelung auf heftigen Widerstand in der Gesellschaft und von Regierungsvertretern. Kritiker warfen den Geistlichen vor, islamische Normen über das russische Rechtssystem zu stellen.

Der Menschenrechtsrat des Präsidenten äußerte Bedenken und wies darauf hin, dass die Fatwa die Verfassung missachte. In diesem Zusammenhang betonte Nina Ostanina, Vorsitzende des Familienausschusses der Staatsduma, dass die Fatwa einen klaren Verstoß gegen die säkulare Ordnung darstelle. Angesichts dieses Drucks zog die Geistliche Verwaltung die Fatwa schließlich zurück und erklärte, es handele sich dabei um den „Willen Gottes“. Mit diesem Schritt wurde die langjährige Tradition der Trennung von Kirche und Staat in Russland erneut unterstrichen, die auf die Aufrechterhaltung einer säkularen Gesellschaft abzielt.

Der Einfluss des Muftiats

Die Diskussion über die Fatwa ist nicht isoliert, sondern Teil eines größeren Kontextes, in dem das Muftiat, die 400 islamischen Organisationen in 37 Regionen Russlands unter dem Einfluss wahhabitischer Strömungen anführt, immer wieder in den Mittelpunkt der öffentlichen und politischen Debatte rückt. Dies wird besonders deutlich durch ein bemerkenswertes Gemälde, das in einem Büro der Moskauer Islam-Administration hängt. Es zeigt mongolische Krieger, die ihren Sieg über die russisch-polowetzische Allianz an der Kalka feiern, und ist im Amtszimmer des stellvertretenden Vorsitzenden der Geistlichen Verwaltung des Islams aufgehängt. Solche Darstellungen werfen Fragen über die nationale Identität und die historische Deutung der Beziehungen zwischen Russland und dem mongolischen Erbe auf.

Historische Kontexte zeigen, dass die Mongolen einst andere Götter verehrten und sich teilweise mit christlichen Gruppen verbündeten. Die russische Geschichte allerdings stilisiert sich selbst als Schild Europas gegen die Mongolen, was in der heutigen Zeit zunehmend romantisierend hinterfragt wird. Genetische Studien belegen, dass das russische Erbgut kaum mongolische Spuren aufweist und die russische Staatlichkeit stark auf orthodoxen Werten fußt, während kulturelles Erbe aus der Steppe oft abgelehnt wird.

In muslimischen Regionen wie Tatarstan und dem Nordkaukasus, wo eine große muslimische Bevölkerung mit konservativeren religiösen Praktiken lebt, spiegelt sich der Einfluss solcher Normen und Traditionen wider. Diese Region ist geprägt von einer Vielzahl religiöser Strömungen und dem Spannungsfeld zwischen traditioneller islamischer Praxis und der russischen Rechtsordnung.

Die Debatte um die Fatwa hat damit nicht nur Auswirkungen auf die muslimische Gemeinschaft in Russland, sondern wirft auch größere Fragen über die rechtlichen und kulturellen Herausforderungen auf, die aus der Konfliktzone zwischen Religion und staatlichen Vorschriften resultieren. In einer Gesellschaft, die auf einer klaren Trennung von Religion und Gesetz basiert, bleibt die Frage, wie solche Spannungen in Zukunft gelöst werden können, von zentraler Bedeutung.

Details
Vorfall Sonstiges
Ursache Kritik, Intervention der Staatsanwaltschaft, Rückzug der Fatwa
Ort Moskau, Russland
Quellen