Psychiatrische Verbrechen im Nationalsozialismus: Ein Vortrag aufgedeckt!

Am 15.05.2025 diskutiert Prof. Maike Rotzoll an der Uni Heidelberg die dunkle Geschichte der psychiatrischen Anstalten im Nationalsozialismus.
Am 15.05.2025 diskutiert Prof. Maike Rotzoll an der Uni Heidelberg die dunkle Geschichte der psychiatrischen Anstalten im Nationalsozialismus.

Heidelberg, Deutschland - In einem kürzlich gehaltenen Vortrag an der Universität Heidelberg beleuchtete Prof. Maike Rotzoll die grausame Rolle psychiatrischer Anstalten während des Nationalsozialismus. Diese Institutionen wurden zu Orten des Mordes, in denen zahlreiche Patientinnen und Patienten und insbesondere psychisch Kranke zu Opfern eines grausamen Euthanasieprogramms wurden. Rotzolls Vortrag unter dem Titel „Nach dem Krankenmord“ stellt die Verstrickungen der psychiatrischen Praxis in die Verbrechen des Nationalsozialismus dar und zeigt auf, wie das anstaltspsychiatrische System bis zur Reform der Psychiatrie in den 1970er Jahren weitgehend unverändert blieb. Rotzoll, Professorin für Geschichte der Pharmazie und Medizin an der Universität Marburg, thematisierte auch die lange Zeit des Schweigens über diese Verbrechen und die Notwendigkeit ihrer Aufarbeitung.

Die Ruperto Carola Ringvorlesung, zu der dieser Vortrag gehörte, hat sich zum Ziel gesetzt, gesellschaftlich relevante Forschungsfragen in unterschiedlichen Formaten zu präsentieren. Die Reihe trägt den Titel „1945: Epochenschwelle und Erfahrungsraum“ und bietet nicht nur eine rückblickende Deutung des Endes des Zweiten Weltkrieges, sondern auch eine Rekonstruktion des menschlichen Erlebens und Erleidens dieser Zeit. Für die konzeptionelle Gestaltung dieser Veranstaltung zeichnete Prof. Dr. Manfred Berg verantwortlich. Insgesamt sechs Vorträge finden montags in der Aula der Alten Universität statt, wobei die Aufzeichnungen später auf heiONLINE verfügbar sind.

Das Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten

Zwischen 1933 und 1945 wurden im Rahmen des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms mindestens 250.000 psychisch Kranke und Behinderte ermordet, eine Schätzung, die von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) aufgegriffen wird. Psychiater waren nicht nur in die persönlichen Entscheidungen über Leben und Tod verwickelt, sondern auch an der Zwangssterilisierung von bis zu 400.000 Menschen beteiligt. Diese Verbrechen wurden durch ein Ermächtigungsschreiben Hitlers aus Oktober 1939 legitimiert, das die Mordaktionen in spezialisierten Tötungszentren einleitete.

Die Auswirkungen dieser Gräueltaten sind verheerend. In den ersten Jahren der Aktion T4, die 1939 begann, wurden über 70.000 Patienten ermordet, wovon mindestens 5.000 Kinder und Jugendliche in sogenannten „Kinderfachabteilungen“ umkamen. Die Aktion wurde offiziell im August 1941 gestoppt, jedoch setzte sich die Tötung von Patienten in verschiedenen Einrichtungen bis zum Ende des Krieges fort. Diese systematischen Mordaktionen standen im Kontext einer breiteren rassistischen Ideologie, die bis in die Weimarer Republik zurückreicht und durch Diskurse über Rassenhygiene und Eugenik genährt wurde.

Langzeitfolgen und Aufarbeitung

Die deutsche Psychiatrie ist in intellektuelle, strukturelle und personelle Verstrickungen dieser Verbrechen involviert gewesen, was in den nachfolgenden Jahrzehnten immer wieder diskutiert wurde. Zahlreiche Psychiater wurden nach dem Krieg nie zur Rechenschaft gezogen, während führende Akteure der Euthanasie, wie Karl Brandt und Viktor Brack, im Nürnberger Ärzteprozess zum Tode verurteilt wurden. Dennoch blieben viele Beteiligte ungestraft. Die historische Aufarbeitung dieser Verbrechen ist langwierig und wird bis heute fortgeführt.

Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Erbe des Nationalsozialismus, insbesondere hinsichtlich der Psychiatrie, ist sowohl für die wissenschaftliche Gemeinschaft als auch für die breite Öffentlichkeit von Bedeutung. Die Ringvorlesung der Universität Heidelberg stellt einen wichtigen Schritt in dieser Auseinandersetzung dar, indem sie die Rolle der Psychiatrie im Nationalsozialismus kritisch reflektiert und das Bewusstsein für die Opfer und deren Schicksale schärft.

Weitere Informationen dazu sind bei den folgenden Organisationen erhältlich: Universität Heidelberg, DGPPN und Psychiatriegeschichte.

Details
Vorfall Mord/Totschlag
Ort Heidelberg, Deutschland
Quellen