Bayerns Grundschulen verabschieden sich von der Schreibschrift!
In Eichstätt startet das Modellprojekt „FlowBy“, bei dem Grundschüler Druckschrift lernen, um Schreibschrift abzuschaffen.

Bayerns Grundschulen verabschieden sich von der Schreibschrift!
In Bayern tut sich einiges in den Grundschulen: Das Thema „Schreibschrift“ steht auf der Kippe. Die Bildungsbehörden haben kürzlich beschlossen, an 43 Grundschulen die Schreibschrift abzuschaffen und stattdessen auf ein Modellprojekt mit der Bezeichnung „FlowBy“ zu setzen. Hierbei wird Kindern ermöglicht, direkt aus der Druckschrift ihre individuelle Handschrift zu entwickeln, ohne den Umweg über die herkömmliche Schreibschrift zu nehmen. Damit reagiert man auf neue Studien, die aufzeigen, dass das Erlernen der Schreibschrift Kinder eher ausbremst, als es ihnen nützt. Die Ergebnisse einer Studie von Dr. Eva Odersky von der Uni Eichstätt zeigen, dass Kinder, die Druckschrift verwenden, im Schnitt 22 Sekunden für einen Satz aus fünf Wörtern benötigen, während Schreibschrift-Kinder zwei bis drei Sekunden länger brauchen. Odersky kritisiert, dass die verbundenen Buchstaben in der Schreibschrift dazu führen, dass Kinder beim Schreiben unsichtbare Kurven machen, was nicht nur zeitaufwendiger ist, sondern zudem oft zu unleserlichen Handschriften führt.
Das bayerische Kultusministerium hat mit dem neuartigen Projekt „FlowBy“ ein Modell entwickelt, das Kinder in speziellen „Schreibwerkstätten“ dazu anregt, mit verschiedenen Buchstabenverbindungen zu experimentieren. In diesen Workshops wird die Handschrift der Kinder in der zweiten, dritten und vierten Klasse anhand von Kriterien wie Leserlichkeit und Schreibtempo beurteilt. Der Vorteil dieses Ansatzes: Kinder können schneller mit einer teilverbundenen Schrift arbeiten und profitieren von individueller Förderung, die ihren Fähigkeiten Rechnung trägt. Dies könnte die Komplexität des Schrifterwerbs erheblich reduzieren und so dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler nicht überfordert werden.
Einblicke ins Projekt
Beobachtungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass bereits ähnliche Wege beschritten werden. Zum Beispiel erlaubt Baden-Württemberg Schulen die Entscheidung, ob sie auf Schreibschrift verzichten möchten. Auch in der Schweiz ist man bereits einen Schritt weiter und hat die Schreibschrift vollständig abgeschafft. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband äußert allerdings Bedenken, da viele Lehrkräfte die Schreibschrift als grundlegende Technik für das Erlernen einer sicheren Handschrift betrachten. Diese Diskussion über die Abschaffung der Schreibschrift hat in den letzten Monaten zunehmend an Fahrt aufgenommen.
Das Kernziel des Modellprojekts „FlowBy“ besteht darin, den Schrifterwerb zu einem einphasigen Prozess zu gestalten. Das bedeutet, dass Kinder nicht wie bisher in zwei Phasen – Druckschrift und anschließend Schreibschrift – unterrichtet werden, sondern gleich in der ersten Klasse mit der Druckschrift starten und direkt ihre eigene Handschrift entwickeln können. Dr. Odersky hat dies in ihrer Doktorarbeit festgestellt, in der sie Schriftproben von über 330 Kindern am Ende der vierten Klasse analysierte. Ihre Ergebnisse zeigen, dass das flüssige Schreiben nicht zwangsläufig mit der Art der verwendeten Schrift verbunden ist, sondern auch Druckschrift flüssig sein kann. Die Entscheidungen der Lehrkräfte, wann Kinder zur Schreibschrift wechseln dürfen, spielen eine entscheidende Rolle in diesem Prozess.
Gemeinsame Zukunft im Schrifterwerb?
Das Projekt wird bis zur vierten Klasse wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Je nach den Ergebnissen dieser Untersuchungen könnte das Kultusministerium im Schuljahr 2026/27 eine grundlegende Entscheidung über die Einführung eines einphasigen Schrifterwerbs treffen und möglicherweise die Verpflichtung zur Schreibschrift abschaffen. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband warnt jedoch vor einer zu schnellen Entscheidung und betont die Wichtigkeit individueller Entscheidungen für jedes Kind. Laut Angelika Speck-Hamdan von der Ludwig-Maximilians-Universität München könnte es nun jedoch höchstens ein Jahrzehnt dauern, bis sich eine einheitliche Regelung im Schrifterwerb durchsetzt.
Die Diskussion um die Zukunft der Schreibschrift in Bayern bleibt spannend und zeigt, dass die Bildungslandschaft im Fluss ist. Ob dies zu einer grundlegenden Wende im Schrifterwerb führen wird, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass es in anderen Ländern bereits verschiedene Ansätze zur Optimierung des Schrifterwerbs gibt, und Bayern könnte bald folgen. Ein Schritt, der nicht nur die Lehrkräfte, sondern auch die Eltern und vor allem die Kinder betreffen wird.