Erosion des Medienvertrauens? So denkt Deutschland heute!

Die Mainzer Langzeitstudie zum Medienvertrauen zeigt stabile Trends, jedoch zunehmende Aggressivität in öffentlichen Debatten.
Die Mainzer Langzeitstudie zum Medienvertrauen zeigt stabile Trends, jedoch zunehmende Aggressivität in öffentlichen Debatten. (Symbolbild/NAG Archiv)

Mainz, Deutschland - In Deutschland zeigt eine umfassende Langzeitstudie zum Medienvertrauen, dass es keine flächendeckende Erosion des Vertrauens in die Medien gibt, jedoch immer mehr Menschen öffentliche Debatten als aggressiv und unsachlich wahrnehmen. Laut den neuesten Ergebnissen der Studie, die seit 2015 von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf durchgeführt wird, sind negative Wahrnehmungen in der öffentlichen Kommunikation auf dem Vormarsch. Die Studie wird seit 2022 finanziell von der Bundeszentrale für politische Bildung unterstützt und die ersten Ergebnisse der aktuellen Erhebungsrunde wurden in der Fachzeitschrift Media Perspektiven veröffentlicht. Die Befragung fand im November und Dezember 2024 mit 1.203 Teilnehmern ab 18 Jahren statt, was eine statistische Fehlertoleranz von maximal 3 Prozentpunkten ermöglicht (Uni Mainz).

Das Vertrauen in die etablierten Medien beträgt aktuell 47 Prozent, was einen Anstieg gegenüber dem Vorjahr (44 Prozent) darstellt, aber unter dem Höchstwert von 56 Prozent während der COVID-19-Pandemie bleibt. Im Vergleich zu 2019, als nur 43 Prozent Vertrauen hatten, zeigt sich hier ein positiver Trend. Auf der anderen Seite vertrauen 20 Prozent der Befragten den Medien überhaupt nicht, was eine Verbesserung zu den 25 Prozent des Vorjahres bedeutet. Über 50 Prozent der Befragten empfinden öffentliche Debatten als unsachlich und aggressiv, wobei 69 Prozent anmerken, dass es häufig zu einer Sturheit in den Standpunkten kommt und 68 Prozent erleben, dass andere nicht ausreden dürfen (Medienvertrauen).

Vertrauen und Rezeption in der Gesellschaft

Die Studie weist auch darauf hin, dass 44 Prozent der Befragten von absichtlichem Verschweigen wichtiger Fakten und Vorurteilen berichten. Besondere Besorgnis ruft die Berichterstattung über den Konflikt in Israel und Gaza hervor, wo 27 Prozent sowohl vertrauen als auch kein Vertrauen haben. Ähnlich steht es um die Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine, wo 40 Prozent Vertrauen haben. Die Zustimmung zur Aussagen, wonach die Medien die Meinungsfreiheit in Deutschland untergraben, ist auf 20 Prozent angestiegen (Vorjahr: 15 Prozent). 20 Prozent der Befragten glauben auch, dass die Bevölkerung von den Medien systematisch belogen werde, was ein Anstieg im Vergleich zu den 14 Prozent vor zwei Jahren ist (Medienkonvergenz).

Das Vertrauen in die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sinkt auf 61 Prozent, was der niedrigste Wert seit Beginn der Langzeitstudie ist. Lokale Zeitungen genießen 56 Prozent Vertrauen, während überregionale Tageszeitungen auf 55 Prozent kommen. Im Vergleich dazu bleibt das Vertrauen in Boulevardzeitungen konstant bei nur 3 Prozent und das Vertrauen in privaten Rundfunk fällt von 22 Prozent auf 17 Prozent. Diese Zahlen unterstreichen, dass die Medien im Gesamttrust bei der Bevölkerung im Mittelfeld liegen – besser als Politische Institutionen (19 Prozent) und Kirchen (14 Prozent), jedoch schlechter als die Justiz (63 Prozent) und die Wissenschaft (72 Prozent).

Längerfristige Entwicklungen und Herausforderungen

Die vorliegende Studie untersucht nicht nur aktuelle Trends, sondern auch langfristige Entwicklungen des Vertrauens in die Medien, wobei seit der ersten Welle im Jahr 2008 jährliche Erhebungen durchgeführt werden. Ergebnisse der zehnten Welle werden im Mai 2025 publiziert. Ein umfassender Bericht über die Entwicklung des Medienvertrauens bis zum Jahr 2020 wurde im Mai 2023 veröffentlicht. Die Forschung beschäftigt sich auch mit der Verbreitung von Verschwörungstheorien und deren Zusammenhang mit Medienskepsis und der Nutzung sozialer Medien. Das Ziel ist es, ein langfristiges Monitoring des Medienvertrauens einzurichten und die Dynamiken von Vertrauensverlusten sowie entsprechende Strategien zur Bekämpfung zu identifizieren.

In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen ist es entscheidend, das Vertrauen in öffentliche Kommunikation als Grundlage für die Demokratie zu stärken. Ohne Vertrauen ist eine gesunde demokratische Willensbildung gefährdet, was bereits zu vermehrter Unterstützung populistischer Bewegungen und allgemeiner Politikverdrossenheit geführt hat. Die Herausforderungen, die sich aus der „Lügenpresse“-Debatte ergeben haben, erfordern ein gemeinsames Handeln von Journalisten, Wissenschaftlern und politischen Akteuren, um ein kohärentes Framework für die Vertrauensbeziehungen zur Öffentlichkeit zu schaffen.

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Ort Mainz, Deutschland
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