„Die Nulllinie“: Ein Roman über den verzweifelten Kampf im Ukrainekrieg

Süden der Ukraine, Ukraine - Der Roman „Nulllinie“ von Szczepan Twardoch, der im Kontext des Ukrainekriegs spielt, wird derzeit als eines der besten Prosawerke über den Konflikt von einem ausländischen Autor gepriesen. Die Handlung entfaltet sich im Süden der Ukraine, wo seit 2022 Soldaten versuchen, einen Brückenkopf am Dnipro zu verteidigen. Die Soldaten auf dem linken Ufer sind nicht nur der ständigen Bedrohung durch russische Truppen, sondern auch ihrer eigenen Artillerie ausgesetzt. Diese prekäre Situation prägt die Realität, die Twardoch eindringlich schildert. FAZ berichtet von der dichten Atmosphäre des Romans und den inneren Konflikten der Soldaten, einem zentralen Element in Twardochs Werk.

Im Mittelpunkt stehen mehrere facettenreiche Figuren: „Jagoda“, ein junger Mann, der nach dem ersten russischen Angriff 2014 in den Donbass-Krieg zieht; „Małpa“, ein Scharfschütze mit einer Vergangenheit als Gastwirt; der Reservist „Leopard“, der nostalgisch einer zurückkehrenden Sowjetunion nachtrauert; und „Ratte“, ein unmotivierter Rekrut, dessen einziges Ziel das Überleben ist. Der Hauptprotagonist „Koń“ ist ein Drohnenpilot aus Polen. Er meldet sich freiwillig zur ukrainischen Armee, kämpft jedoch innerlich mit seiner Rolle und seinem Desinteresse an den Rekruten um ihn herum.

Der Kampf um Identität und Menschlichkeit

Twardoch, der selbst mehrmals an die Front gereist ist und die Schrecken des Krieges hautnah miterlebt hat, verwebt persönliche Erfahrungen in die Fiktion. Der Roman beschreibt den Kontrast zwischen dem wohlhabenden Kyjiw und dem desolaten Donbass und beleuchtet die Kluft zwischen offiziellen Darstellungen und der brutalen Realität, die die Soldaten erleben. „Koń“ und seine Gefährten suchen an der Nulllinie – dem Grenzgebiet des Konflikts – nicht nur einen Sinn in ihrem Dasein, sondern auch Hoffnung inmitten von Verletzten und dem Tod.

Das Buch thematisiert bedeutungsvolle Begriffe wie Brüderlichkeit und Mut, deren Wahrnehmung sich in der kriegerischen Realität dramatisch verändert hat. Während Koń vom Internet über Starlink als einzig verbleibender Verbindung zur alten Welt Gebrauch macht, denkt er an seinen Großvater, der im Weltkrieg kämpfte, und sucht in der Beziehung zu seiner Geliebten Zuja nach einem Ausweg aus der Verzweiflung. Der Krieg schwebt dauerhaft über seinem Leben und hinterlässt bei ihm einen bleibenden Eindruck von Verlust und innerm Zwiespalt.

Literarische Reflexionen über den Krieg

Twardoch stellt nicht nur die realen Herausforderungen der Soldaten dar, sondern thematisiert auch die existenziellen Kämpfe, die sich daraus ergeben. Die Charaktere sind mit den Schrecken des Krieges konfrontiert, was sich in ihren Erinnerungen und inneren Konflikten niederschlägt. „Die Nulllinie“ ist als literarisches Werk nicht nur mitreißend, sondern auch ernüchternd in ihrer Darstellung des Kriegsalltags und der dadurch veränderten sozialen Hierarchien. Es wird angedeutet, dass der Krieg für Koń und viele seiner Kameraden nie enden wird.

Zusätzlich zu den persönlichen Schicksalen der Figuren bringt die Literatur über den Ukrainekrieg bedeutende kulturelle Einblicke. Suhrkamp hebt hervor, dass Menschen, die früher als Musiker, Lehrer oder Werbeleute arbeiteten, nun mit Herausforderungen konfrontiert sind, die weit entfernt von ihrem Alltag liegen. Ihre Geschichten zeigen die Schutzlosigkeit sowie die radikale Veränderung des Lebens, die der Krieg mit sich bringt.

Twardochs „Die Nulllinie“ wird von Olaf Kühl ins Deutsche übersetzt und erscheint 2025 im Rowohlt Berlin Verlag. Das Buch ist ein eindringliches Zeugnis über den aktuellen Krieg in Europa, das den Kampf um Identität, Menschlichkeit und die Suche nach Hoffnung in einer unmenschlichen Realität reflektiert.

Details
Vorfall Krieg
Ort Süden der Ukraine, Ukraine
Quellen