UK hebt Sanktionen auf: Doppelmoral oder echter Neuanfang für Syrien?

Das Vereinigte Königreich hebt Sanktionen gegen syrische Regierungsbehörden auf, während die EU ihre Beziehungen zu Syrien überprüft.
Das Vereinigte Königreich hebt Sanktionen gegen syrische Regierungsbehörden auf, während die EU ihre Beziehungen zu Syrien überprüft. (Symbolbild/NAG Archiv)

Syrien, Land - Am 24. April 2025 hat das Vereinigte Königreich entschieden, die Sanktionen gegen zwölf syrische Regierungsbehörden aufzuheben. Dazu gehören unter anderem die Ministerien für Verteidigung und Inneres sowie die General Intelligence Directorate. Diese Entscheidung folgt auf die Absetzung des bisherigen Präsidenten Bashar al-Assad durch Oppositionsgruppen unter Führung von Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die vor vier Monaten stattfand. Die britischen Sanktionen, die darauf abzielten, die Beteiligung dieser Entitäten an der Unterdrückung der Zivilbevölkerung in Syrien zu ahnden, wurden nun aufgehoben. Laut einer Mitteilung des UK Office of Financial Sanctions Implementation sind die betroffenen Entitäten nun nicht mehr von Vermögenssperren betroffen, auch wenn die Sanktionen gegen Mitglieder des Assad-Regimes bestehen bleiben. Die britische Regierung betont, dass die Aufhebung der Sanktionen eine Reaktion auf die neue Situation in Syrien sei.

Im März 2025 hatte Großbritannien bereits die Vermögenswerte der Zentralbank Syriens sowie die von 23 weiteren Organisationen, einschließlich Banken und Ölgesellschaften, freigegeben. Syrischer Außenminister Asaad al-Shaibani kommentierte, dass die Aufhebung wirtschaftlicher Sanktionen entscheidend für die Stabilität des Landes sei. Im Gegensatz dazu zögern einige Länder, darunter die Vereinigten Staaten, eine ähnliche Entscheidung zu treffen, bis sie die Handlungen der neuen Behörden beobachten können. Ein UN-Beamter forderte die syrischen Behörden auf, Fortschritte in der wirtschaftlichen Erholung zu machen, ohne auf die Aufhebung westlicher Sanktionen zu warten.

Die humanitäre Krise in Syrien

Ein Bericht des UNDP schätzt, dass Syrien bei den aktuellen wirtschaftlichen Wachstumsraten mehr als 50 Jahre benötigen würde, um das Niveaus von vor dem Krieg wieder zu erreichen. Alarmierenderweise leben neun von zehn Syrern in Armut, und etwa ein Viertel ist arbeitslos. Das BIP Syriens ist auf weniger als die Hälfte seines Wertes von 2011 geschrumpft. Der Human Development Index hat den niedrigsten Stand seit seiner erstmaligen Erfassung im Jahr 1990 erreicht, was die verheerenden Auswirkungen des Krieges auf die Entwicklung des Landes verdeutlicht. Der UNDP-Bericht beziffert das „verlorene BIP“ während des Krieges von 2011 bis 2024 auf etwa 800 Milliarden US-Dollar.

Die EU plant ebenfalls, ihre Beziehungen zu Syrien nach dem Sturz von Baschar al-Assad zu verbessern. Direkte Kontakte zur von HTS geführten Übergangsregierung in Damaskus wurden bereits aufgenommen. EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas erklärte, dass die EU bereit sei, Sanktionen zu lockern, sofern die neue Regierung entsprechende Maßnahmen ergreift. Ein Treffen der Außenminister steht bevor, um eine Einigung über die Lockerung der Sanktionen zu erzielen. Diplomaten in Brüssel warnen allerdings, dass eine solche Aussetzung nur vorübergehend sein könnte und an bestimmte Bedingungen geknüpft ist.

Wirtschaftliche Herausforderungen und Wiederaufbau

Um den Wiederaufbau Syriens zu gewährleisten, ist es entscheidend, die finanziellen Beziehungen zur EU wiederherzustellen. Der Krieg hat die ölproduzierende Kapazität des Landes stark beeinträchtigt; die Produktion reduzierte sich von fast 400.000 Barrel pro Tag auf zuletzt 95.000 Barrel. Zusätzlich betreffen die EU-Sanktionen, die als Reaktion auf die Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkriegs verhängt wurden, auch den Bau neuer Elektrizitätswerke und schränken humanitäre Hilfe ein.

Insgesamt sind 318 Personen und 86 Unternehmen auf der EU-Sanktionsliste, die Einfrierungen von Vermögenswerten und Reiseverbote umfasst. Lebensmittel und Medikamente sind von den Sanktionen ausgenommen, aber es bleibt fraglich, ob die internationale Gemeinschaft in der Lage sein wird, ausreichend Hilfe zu leisten. Syrien benötigt schätzungsweise zwischen 250 und 1 Billion US-Dollar für den Wiederaufbau und leidet nach wie vor unter einer hohen Arbeitslosigkeit von 43,5 %.

Die Situation in Syrien bleibt auch weiterhin angespannt. Die humanitäre Lage könnte sich weiter verschlechtern, besonders aufgrund der Einschränkungen für grenzüberschreitende Operationen. Die Bewältigung dieser Herausforderungen wird entscheidend dafür sein, wie die internationale Gemeinschaft auf die Entwicklungen in Syrien reagiert. Ein politischer Prozess, unter anderem gefordert in der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats, ist notwendig, um eine langfristige Stabilität zu erreichen.

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Ort Syrien, Land
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