Neues Netzwerk in Göttingen erforscht Atheismus der Neuzeit!
Göttingen, Deutschland - In einer bedeutenden Entwicklung für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Atheismus hat die Universität Göttingen ein internationales Forschungsnetzwerk ins Leben gerufen. Dieses Netzwerk trägt den Titel „European Entangled Atheisms: Concepts of Unbelief and the People Shaping Them from the 1860s to the 1940s“. Laut der Universität soll das Projekt den Atheismus zwischen den 1860er- und 1940er-Jahren als intellektuelle Haltung, gelebte Erfahrung und soziale Bewegung untersuchen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Netzwerk mit rund 73.000 Euro über drei Jahre.https://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?id=7796
Leiter des Netzwerks sind Dr. Carolin Kosuch, Dr. Heléna Tóth und Dr. Johannes Gleixner, die im Rahmen ihrer Forschung aufzeigen möchten, wie atheistische Ideen durch Schriften, Organisationen und alternative Riten verbreitet wurden. Ein zentrales Ziel besteht darin, die Wahrnehmung von Atheisten als Bedrohung der Moral und der öffentlichen Ordnung zu hinterfragen. Um ein umfassenderes Verständnis des Atheismus zu schaffen, nutzen die Forscher unerforschte Quellen und Archivmaterialien. Geplant ist auch eine digitale Quellenedition in englischer Sprache, die wissenschaftliche Kommentare bieten und einem breiteren Publikum den Zugang zu Geschichten des Atheismus ermöglichen soll.
Einblicke in die Geschichte des Atheismus
Der Atheismus hat seine Wurzeln tief in der Menschheitsgeschichte, mit Spuren in der Antike, etwa bei den Vorsokratikern, Sophisten, Epikureern, Kynikern und Skeptikern. Aktuelle Studien belegen, dass jeder fünfte Mensch sich heute als Atheist betrachtet.https://www.deutschlandfunk.de/geschichte-des-atheismus-von-den-anfaengen-bis-zur-gegenwart-100.html In der europäischen Geschichte war Atheismus häufig mit Negativeigenschaften assoziiert und wurde lange Zeit als Verbrechen geahndet.
Mit der Renaissance und dem Humanismus kam es zu einem verstärkten Skeptizismus gegenüber religiösen Dogmen. Der Glaube wurde im 19. Jahrhundert durch den Siegeszug der Wissenschaft zurückgedrängt, was einen Paradigmenwechsel einleitete. Wichtige Denker wie Lukrez, Sartre, Descartes und Freud trugen erheblich zu dieser Rückdrängung der Religion bei. E. M. Cloran, ein Kritiker der damals vorherrschenden Glaubenssysteme, merkt an, dass Neubekehrte oft mit Impertinenz auftreten, während andere, die ihren Glauben verlieren, Bescheidenheit zeigen.https://www.deutschlandfunk.de/geschichte-des-atheismus-von-den-anfaengen-bis-zur-gegenwart-100.html
Wissenschaftliche Perspektiven und Diskussionen
Georges Minois, ein Experte für Religions-, Sozial- und Mentalitätsgeschichte, hat ein 820-seitiges Kompendium über atheistische Denkansätze veröffentlicht, das die komplexen Zusammenhänge zwischen Atheismus und Religion untersucht. Minois erörtert die Fragen, ob Atheismus oder Religion zuerst entstand und nimmt dabei keine eigene Stellung ein. Seine umfassende Darstellung wird als Standardwerk angesehen, das die Geschichte der Geistesgeschichte neu beleuchtet.https://lbib.de/Geschichte-des-Atheismus-Von-den-Anfaengen-bis-zur-Gegenwart-12787
In Anbetracht der tiefgreifenden Umbrüche in der europäischen Geistesgeschichte bietet das Göttinger Netzwerk neue Perspektiven zur Erforschung der modernen kulturellen und intellektuellen Landschaft. Mit dem Ziel, den Atheismus aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten, wird an einer fundierten Auseinandersetzung mit den Ideen und Bewegungen gearbeitet, die die Beziehung zwischen Glauben und Unglauben über Jahrhunderte hinweg geprägt haben.
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Ort | Göttingen, Deutschland |
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