Schocken: Ein Jahrhundert jüdischer Literatur im Herzen Berlins

Eine Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin erinnert an Salman Schocken, Verleger und Pionier, mit interaktiven Exponaten und poetischen Texten.
Eine Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin erinnert an Salman Schocken, Verleger und Pionier, mit interaktiven Exponaten und poetischen Texten. (Symbolbild/NAG)

Jüdisches Museum Berlin, Deutschland - Salman Schocken, ein wegweisender Verleger und Kaufhausbesitzer in Deutschland der 1930er-Jahre, wird durch eine neue Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin gewürdigt. Diese erinnert nicht nur an seine unternehmerischen Leistungen, sondern auch an seine bedeutende Rolle in der jüdischen Literaturgeschichte. Schocken, der den einprägsamen Slogan „Gleiche, gute Leistungen bei allen Waren, zu jeder Zeit für jeden Käufer“ popularisierte, war der Besitzer einer der größten Kaufhausketten in Deutschland und erschuf 1931 den Schocken-Verlag, der die Weltrechte an Franz Kafkas Werk innehatte. Der Kaufhauskonzern war 1930 der viertgrößte in Deutschland und bekannt für seine guten Qualitätswaren zu niedrigen Preisen sowie vielen Eigenmarken, bis die Geschäfte von den Nationalsozialisten „arisiert“ und verkauft wurden.

Bis zur Schließung des Verlags im Jahr 1938 veröffentlichte Schocken Werke bedeutender jüdischer Autoren, trotz der zunehmend feindlichen politischen Landschaft. Zu den über 200 Titeln, die zwischen 1931 und 1938 erschienen, gehörten Werke von Franz Kafka, Heinrich Heine, Martin Buber und vielen weiteren, die von den Nazis verboten waren. Diese Ausdauer ist besonders bemerkenswert, da der Schocken Verlag der letzte Verlag war, der unter dem Nazi-Regime noch frei operieren konnte. Nach seiner Flucht nach Palästina gründete er dort das Schocken Publishing House und später, 1945, Schocken Books in New York, das zur Stimme der englischsprachigen jüdischen Gemeinschaft wurde.

Die Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin

Die Ausstellung im Jüdischen Museum bietet faszinierende Einblicke in das Leben und Werk von Salman Schocken. Ein zentraler Bestandteil ist ein wellenförmiger Tisch, der mit Büchern der Schocken-Verlage sowie Vitrinen mit Waren aus seinen Kaufhäusern ausgestattet ist. Bemerkenswert sind die QR-Codes, die an den Objekten angebracht sind und den Besuchern Zugang zu Audiodateien mit poetischen Texten des US-amerikanischen Autors Joshua Cohen bieten. Cohen, der eine persönliche Verbindung zu Schocken Books hat — seine Großmutter arbeitete für den Verlag — verleiht den Exponaten eine Stimme und spielt dabei mit Bedeutungen und Zitaten in einer neuartigen Weise, die Deutsch und Englisch miteinander verknüpft.

Die Ausstellung entstand als Antwort auf Cohens Kaufangebot für Schocken Books, den der Verlag jedoch ablehnte. Dennoch bleibt Cohens Mission klar: Er möchte, dass Schocken Books wieder zu einem Zentrum für jüdische und israelische Literatur wird.

Die Bedeutung des Schocken Verlags und seiner Nachfolger

Der Schocken Verlag hat nicht nur die Grundlagen für viele literarische Werke gelegt, sondern auch die Entwicklung der jüdischen Literatur im 20. Jahrhundert maßgeblich beeinflusst. Nach Schockens Tod 1959 übernahm sein Sohn Gustav Schocken, der auch das Unternehmen Ha’aretz leitete, das als Pendant zur New York Times gilt. Heute wird Schocken Books von Random House als unabhängige Division geführt und hat weiterhin großen Einfluss in der Verlagslandschaft.

Die Tradition des jüdischen Verlagslebens wird auch durch den 1901 gegründeten Jüdischen Verlag in Berlin fortgeführt, der seit 1990 zum Suhrkamp Verlag gehört. Dieses Erbe wird gewahrt durch bedeutende Veröffentlichungen wie das fünfbändige Jüdische Lexikon und den Babylonischen Talmud von Lazarus Goldschmidt, dessen Übersetzung die einzige vollständige Übertragung des kanonischen Textes ins Deutsche darstellt. Der Jüdische Verlag engagiert sich weiterhin dafür, jüdische Inhalte und Perspektiven in die literarische Diskussion einzubringen.

Die Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin bietet nicht nur einen Rückblick auf das Erbe von Salman Schocken, sondern beleuchtet auch die anhaltende Relevanz seiner Arbeit und des Schocken Verlags in der Literaturgeschichte sowie im zeitgenössischen kulturellen Leben.

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Ort Jüdisches Museum Berlin, Deutschland
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