Ein Zeitzeuge berichtet: Der erschütternde Alltag in der Napola Potsdam
Heinrich-Mann-Allee 107, 14473 Potsdam, Deutschland - Hans Müncheberg, 95 Jahre alt, reflektiert über seine Kindheit und die prägenden Jahre, die er in der „Nationalpolitischen Erziehungsanstalt“ (Napola) in Potsdam verbrachte. Seine Zeit dort begann 1940, als er im Alter von nur 10 Jahren in die Institution eintrat, die zwischen 1933 und 1945 als Kaderschmiede für den nationalsozialistischen Führungsnachwuchs bekannt war. Auf dem Gelände der ehemaligen Napola befindet sich heute der Amtssitz des Brandenburger Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) und verschiedene Landesministerien. Die Napola in Potsdam war eine der ersten ihrer Art und bot Platz für Schüler, die den Anforderungen des Dritten Reiches entsprechen mussten. Jährlich bewarben sich rund 400 Jungen aus ganz Brandenburg auf die wenigen Plätze, die nur für „Arier“ zugänglich waren, was ihre Exklusivität und den rassistischen Fokus der Einrichtung verdeutlicht.
Um Aufnahme in die Napola zu finden, mussten Schüler ihre „arische Abstammung“ nachweisen und umfangreiche Tests in akademischen Fächern sowie im Sport ablegen. Der Alltag innerhalb der Institution war militärisch strukturiert und bot wenig Raum für Individualität oder Privatsphäre. Stattdessen wurde großer Wert auf Mutproben, Wettkämpfe und eine strenge ideologische Ausbildung gelegt. Die meisten Erzieher waren Mitglieder der NSDAP oder SS, was einen deutlichen Hinweis auf die ideologischen Vorgaben und Werte innerhalb der Napola gab. Viele Schüler, darunter auch Müncheberg, hatten Schwierigkeiten, sich an die neuen Gegebenheiten zu gewöhnen. Müncheberg versuchte einmal zu fliehen, wurde jedoch erwischt. Der Druck, sich anzupassen, war enorm.
Die Ideale der Nationalsozialistischen Erziehung
Die Hauptaufgabe der Nationalpolitischen Erziehungsanstalten war die Erziehung junger Menschen zu gehorsamen Staatsbürgern, die Führungspositionen innerhalb der Wehrmacht, SS, NSDAP oder der staatlichen Verwaltung einnehmen sollten. Dies wird auch in einer Ausstellung zur Geschichte der Napola in Potsdam beleuchtet, die sich mit der Bildungsgeschichte im Nationalsozialismus beschäftigt und die Erwartungen der Diktatur an ihre Führernachwuchs beschreibt. Die Napola wurde von politischen Lehrern geleitet und war, ähnlich wie britische Privatschulen, nach einem strengen, sogar brutalen Konzept organisiert. Schülerinnen und Schüler tragen Uniformen und die Ausbildung legte besonderen Wert auf körperliche Fitness und militärisches Verhalten.
Nach einem vierjährigen Aufenthalt in der Napola meldeten sich viele Schüler, einschließlich Müncheberg, freiwillig zum „Volkssturm“. Dieser Schritt war nicht nur ein Zeichen der Loyalität zum Nationalsozialismus, sondern auch ein Beispiel dafür, wie stark die indoctrinierenden Prinzipien der Institution bereits verinnerlicht waren. Müncheberg berichtet, dass sein Schulleiter, Otto Calliebe, sogar plante, ihn und andere Schüler an die Front zu schicken, was in den Tod vieler Mitschüler führte. Müncheberg selbst erlitt während dieses Krieges schwere Verletzungen.
Nach dem Krieg und die Aufarbeitung der Vergangenheit
Die Reflexion über die eigene Rolle im Nationalsozialismus war für viele Lehrer nach dem Krieg schwierig. Während nur wenige kritisch über ihr Handeln nachdachten, begannen viele prompt ein neues Leben in Westdeutschland. Otto Calliebe, Münchebergs Schulleiter, arbeitete bis 1964 weiter als Gymnasiallehrer in Niedersachsen und zeigt damit, wie unzureichend die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit blieb. Die Ausstellung in Potsdam, die sich mit der Geschichte der Napola beschäftigt, sucht weiterhin nach Erinnerungen, Dokumenten und Bildern von Zeitzeugen, um die Vergangenheit lebendig zu halten und aus ihr zu lernen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Napola nicht nur eine zentrale Institution zur Rekrutierung des nationalsozialistischen Führungsnachwuchses war, sondern auch ein Spiegelbild der Ideologie und Erziehungsmethoden des Dritten Reiches. Informationen über die Entwicklung der Napola können weiterführend in der Historie der nationalsozialistischen Erziehungsanstalten nachgelesen werden, die 1933 gegründet wurden und zur Zielsetzung hatten, einen gehorsamen Nachwuchs zu fördern, der die Ideale des Nationalsozialismus lebte und propagierte.
Für weitere Informationen zur Geschichte der Napola in Potsdam und aktuelle Ausstellungen kann auf die Seiten von MAZ, Politische Bildung Brandenburg sowie Wikipedia zurückgegriffen werden.
Details | |
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Vorfall | Sonstiges |
Ort | Heinrich-Mann-Allee 107, 14473 Potsdam, Deutschland |
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