Medizinische Forschung: Geschlecht und Diversität jetzt im Fokus!

Kiel, Deutschland - Die Berücksichtigung von Geschlecht und Diversitätsmerkmalen in der medizinischen Forschung ist entscheidend für die Verbesserung der Versorgung und Behandlung von Patienten. Studien zeigen, dass Krankheitsverläufe und Therapieerfolge maßgeblich vom biologischen Geschlecht beeinflusst werden. So betrifft beispielsweise Sepsis überproportional Männer, während Frauen im Alter häufig von Herzinsuffizienz betroffen sind. Diese Unterschiede werden in der klinischen Forschung oft vernachlässigt, was zu einer unzureichenden medizinischen Versorgung führen kann. Dies ist ein zentrales Anliegen der Initiative von Prof. Stefan Schreiber, Sprecher des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI), die in Zusammenarbeit mit der medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Sektion Medizin der Universität zu Lübeck (UzL) und dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) ein umfassendes Data Sharing Statement beschlossen hat, um Datentransparenz in der medizinischen Forschung zu fördern.
Der Konvent der Medizinischen Fakultät der CAU und der Senat der UzL haben diese Maßnahme beschlossen, die darauf abzielt, Wissenschaftler in die Lage zu versetzen, differenzierte Daten nach Geschlecht und Diversitätsmerkmalen zur Verfügung zu stellen. Prof. Joachim Thiery hebt die Bedeutung solcher Merkmale für eine ganzheitliche klinische Forschung hervor. Diese Initiative steht im Einklang mit internationalen Bestrebungen, die Datentransparenz in der klinischen Forschung zu fördern. Laut dem ICMJE (International Committee of Medical Journal Editors) besteht eine ethische Verpflichtung, Daten aus klinischen Studien verantwortungsvoll zu teilen. Prof. Gabriela Riemekasten betont, dass genetisch bedingte Unterschiede die Reaktionen auf Therapien beeinflussen können.
Geschlechtersensible Ansätze in der Forschung
Die Notwendigkeit geschlechtersensibler Ansätze wird auch durch die Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) unterstrichen. Mit einer Initiative zur Reduzierung des Gender Data Gap in der klinischen Forschung, die im April 2025 startet, werden 43 Projekte mit 5,7 Millionen Euro gefördert. Ziel dieser Initiative ist es, geschlechtersensible Aspekte stärker zu berücksichtigen und vorhandene Datenlücken zu schließen. Geschlecht, Alter und Lebensstil spielen dabei eine zentrale Rolle in der medizinischen Forschung, da Erkrankungen bei Frauen und Männern unterschiedliche Symptome aufweisen können. Ein Beispiel hierfür ist der Herzinfarkt, der bei Frauen häufig mit anderen Symptomen einhergeht als bei Männern.
Es wurde festgestellt, dass Frauen nach den Wechseljahren anfälliger für Osteoporose sind und insbesondere im Bereich reproduktiver Gesundheit ein hoher Forschungsbedarf besteht. Aktuelle Forschungsprojekte konzentrieren sich dabei auch auf die weibliche Gesundheit sowie die männliche Fortpflanzungsfähigkeit. Die BMBF-Initiativen zielen darauf ab, die Bedingungen für eine gendersensible Forschung zu schaffen und entsprechend angepasst an verschiedene Lebensrealitäten zu erforschen.
Die Rolle der Interdisziplinarität
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit in den geförderten Zentren zur reproduktiven Gesundheit ist ein weiterer bedeutender Schritt in Richtung geschlechtsspezifischer Forschungsansätze. Diese Zentren, die seit November 2023 in Deutschland unterstützt werden, haben ein Budget von etwa 11 Millionen Euro zur Verfügung. An ihnen wird die Forschung zu Themen wie Frauengesundheit und der Erhalt der männlichen Zeugungsfähigkeit vorangetrieben. Zudem wird das BMBF ab September 2024 fünf Forschungsverbünde zur Endometriose mit ungefähr 10 Millionen Euro fördern, um die Diagnose und Therapie dieser Erkrankung zu verbessern.
Die Bemühungen um mehr Gleichstellung, Diversität und Präzision in der medizinischen Forschung stärken auch die familiäre und gesellschaftliche Versorgungssituation und erhöhen die Passgenauigkeit sowie Sicherheit medizinischer Behandlungen. Die Initiative zur Förderung von geschlechtersensibler Forschung zeigt, dass Deutschland einen wichtigen Schritt in Richtung einer gerechteren Gesundheitsversorgung geht. Diese Entwicklungen stehen in einem internationalen Kontext, der die Wurzeln der Geschlechterforschung mit aktuellen gesundheitlichen Herausforderungen und den Bedarf an Antidiskriminierung im Gesundheitswesen verknüpft.
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Ort | Kiel, Deutschland |
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