Chaos bei den Grünen: Gelbhaars Sturz und die Schatten der Vorwürfe

Stefan Gelbhaar, langjähriger Grüner Abgeordneter, verliert bei interner Wahl trotz unbewiesener Vorwürfe gegen ihn. Was nun?
Stefan Gelbhaar, langjähriger Grüner Abgeordneter, verliert bei interner Wahl trotz unbewiesener Vorwürfe gegen ihn. Was nun? (Symbolbild/NAG Archiv)

Prenzlauer Berg, Deutschland - Am Ende eines langen Abends in der Kulturmarkthalle von Prenzlauer Berg steht Stefan Gelbhaar allein mit einer Flasche Bier in der Hand. Verloren in der Menge, beobachtet er, wie seine Konkurrentin Julia Schneider, die neue Direktkandidatin der Grünen für Pankow, inmitten von Glückwünschen strahlt. Noch vor wenigen Wochen, am 12. November, war Gelbhaar der strahlende Sieger und wurde mit mehr als 98 Prozent der Stimmen zum Direktkandidaten für die Bundestagswahl nominiert. Seither haben sich die Vorzeichen für den 48-Jährigen jedoch drastisch gewendet. Am Mittwochabend verlor er die Wahl gegen Schneider mit 126 zu 269 Stimmen. Der Pankower Kreisverband und Die Parteiführung hatten ihn bereits gedrängt, auf eine erneute Kandidatur zu verzichten.

Hinter dieser Wendung stehen ernsthafte Vorwürfe: Seit Dezember werden gegen Gelbhaar Belästigungsvorwürfe erhoben. Mehrere Frauen haben sich an die Ombudsstelle der Grünen gewandt sowie an den rbb, der einige von ihnen anonym zitiert. Die Vorwürfe reichen von unerwünschten körperlichen Berührungen bis hin zu anzüglichen Bemerkungen, die Gelbhaar vehement bestreitet und die er als „Lügen“ bezeichnet. Trotz seiner Unschuldsbeteuerungen hat Gelbhaar auch rechtliche Schritte gegen Unbekannt wegen Verleumdung eingeleitet.

Wahlkampf und Vorwürfe

Die wiederholte Wahl zum Direktkandidaten wurde nötig, weil der Kreisverband Pankow die erste Wahl unter dem Druck der Vorwürfe für ungültig erklärte. Gelbhaar, der seit 2017 für die Grünen im Bundestag sitzt, sollte sich auf eine Parteiveranstaltung vorbereiten, als die schweren Vorwürfe gegen ihn nur wenige Tage vor einer wichtigen Wahl in der Öffentlichkeit bekannt wurden. Parteiintern wird über Intrigen gemunkelt; Gelbhaar selbst sieht die Vorwürfe als Teil einer Kampagne, die darauf abzielt, ihn auszuschalten. Die Tatsache, dass die Vorwürfe zum kritischen Zeitpunkt der Kandidatenaufstellung laut wurden, schürt diese Spekulationen.

Interessanterweise nimmt Gelbhaar an einem Treffen mit der Ombudsstelle teil, bei dem ihm nicht nur die Vorwürfe präsentiert werden, sondern auch raten wird, auf seine Kandidatur zu verzichten. Unklar bleibt, warum die Ombudsstelle, die dem Schutz der Betroffenen dient, in den demokratischen Prozess eingreift. Einige Parteimitarbeiter äußern die Befürchtung, dass die Vorwürfe möglicherweise die Wahlchancen der Grünen in Pankow gefährden könnten. Spätestens hier stellt sich die Frage, ob die Unschuldsvermutung oder die parteipolitischen Überlegungen im Vordergrund stehen sollten.

Öffentliche Wahrnehmung und Reaktionen

Gelbhaars Auftritt während der Wahlversammlung war mit Spannung erwartet worden. Trotz der Vorwürfe fanden einige Mitglieder den Mut, ihm Respekt zu zollen, während andere besorgt waren, dass diese Vorgehensweise gegen eine unschuldige Person gerichtet sein könnte. Gelbhaar selbst, der sich in dieser ‚kafkaesken‘ Situation sieht, kämpft um seine Ehre und seinen Ruf. Seine Ansprache, die im Stille der Halle gehalten wurde, war eine Mischung aus Verteidigung und Appell zur Selbstreflexion. Als jemand, der in der Vergangenheit als versierter Fachpolitiker galt, sieht sich Gelbhaar nun der Herausforderung gegenüber, diese Vorwürfe aufzuklären und seinen Platz im politischen Raum zurückzugewinnen.

Die Grünen müssen also mit den Konsequenzen dieser Entwicklungen umgehen. Bei der bevorstehenden Bundestagswahl am 23. Februar könnte sich für die Partei Korrekturbedarf ergeben. Während Gelbhaar weiterhin auf die Unschuldsvermutung besteht, bleibt offen, welche Auswirkungen die nicht bewiesenen Vorwürfe auf das Wählerverhalten haben werden. Vor der Wahl stehen Fragen im Raum, die weit über die Schuld oder Unschuld Gelbhaars hinausgehen.

Berliner Zeitung und taz werden die Entwicklungen in diesem Fall weiter verfolgen.

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Ort Prenzlauer Berg, Deutschland
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